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Chefredakteure leben gefährlich! Daran wurde man in und außerhalb der Reduktionsstuben in der vergangenen Woche erinnert. Wir sprechen vom Wechsel in der Chefredaktion des sozialistischen Zentralorgans: Paul Blau führt jetzt statt Franz Kreuzer das Blatt.

Franz Kreuzer, der sich sein Sporen in der harten Schule Oskar Pollaks verdient hat — seine Recherchen als junger Lokalreporter in Sachen Verschleppungen durch Unbekannte waren eine persönliche Mut- und eine journalistische Talentprobe —, übernahm die Führung des traditionsreichen Blattes in einer Zeit, in der der österreichische Sozialismus langsam, aber sicher einer Krise zutrieb. Nicht daß er seiner Partei zu wenig, daß er ihr manchmal zu viel und zu gut diente, führte zu jenem unverdienten „negativen Image“, in manchen Kreisen der Öffentlichkeit, denen Franz Kreuzer vornehmlich am Fernsehschirm als ein Franz Mohr erschien. Die Kollegen kannten einen anderen Kreuzer: einen Kollegen, der nicht nur eine gute Feder zu führen versteht, sondern auch innerlich mit den Problemen des Sozialismus in unserer Zeit ringt. Nach dem Debakel des 6. Marz kam diese Ader in der vielbeachteten „August-Diskussion“ der „AZ“ zum Durchbruch. Diese brachte Kreuzer zwar den Renner-Preis 1967, war aber geeignet, die Schwierigkeiten, denen sich ein jeder verantwortliche Leiter eines Blattes mit Charakter und publizistischem Profil von Zeit zu Zeit gegenübersieht, gelinde gesagt, nicht zu vermindern. Verschiedene, nicht ganz zu durchschauende Kulissenspiele, bei denen auch der „Ausgleich“ zwischen dem Parteivorsitzenden Dr. Kreisky, der Wiener Organisation auf der einen, den sozialistischen Gewerkschaftern auf der anderen Seite eine Rolle spielten, sowie Bemühungen, das äußerst unglückselige Projekt eines kleinformatigen Blattes vielleicht doch noch in letzter Minute zu sistieren, führten schließlich zu dem „Bauernopfer“ auf dem Schachbrett innerparteilicher Demokratie. Fatal, wenn man selbst dieser Bauer ist.

Auf der Rechten gab es diesmal wenig Schadenfreude. Das hat seinen guten Grund. Zur selben Zeit konnte man nämlich hören, daß der langjährige Pressereferent der ÖVP-Bundesparteileitung an Abschied denke. Pisa, der mit einer beinahe heroischen Selbstentäußerung durch Jahre seine Person hinter der Sache der Partei zurückstellte, die davon ausgiebig Gebrauch machte, scheint dort angelangt, wo er eines Tages nach der Meinung aller guten Freunde ankommen mußte: Er kann einfach nicht mehr so weitertun, ohne als geistige Persönlichkeit abzudanken.

Und damit schließt sich der Kreis. Die Zeit ist für Publizisten, die eine eigene Handschrift besitzen, und nur solche verdienen diesen Namen, nicht günstig. Die schönen Worte, die da und dort an Festtagen an die Adresse der Journalisten gerichtet werden, die von ihrer großen Mission sprechen und an ihre persönliche Verantwortung appellieren, hinterlassen einen faden Nachgeschmack. Gebraucht werden Leute, die „funktionieren“. Und somit sollten wir eigentlich ein wenig zurückhaltender sein und mit unserer Empörung, wenn wir wieder einmal hören, daß irgendwo östlich von Wien eine Stimme zum Schweigen gebracht wird. Besser freilich noch, wir erhalten und erwerben uns die Aktivlegitimation auf diese Kritik durch mehr Respekt vor dem freien Wort und jenen, die es führen. Links, rechts und in der Mitte. Katholiken sind ebenfalls gebeten, nicht wegzuhören.

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