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Österreicher im Taschenbuch

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Rund hundert Bände liegen nun von der Stiasny-Bücherei vor, als Beweis, daß hier ein Unternehmen gelang, das seit lahrzehnten fällig war. Vergleicht man :twa die Intensität der französischen Kulturpropaganda in den letzten Dezennien mit jener Österreichs, so liegt auf der Hand, daß der auffällige Unterschied zuungunsten unseres Landes nicht allein durch die größeren Möglichkeiten der größeren französischen Nation verursacht ist. Neben anderen Imponderabilien, die :iner Untersuchung wert wären, sei hier lur der eigentümliche Hang des Österreichers, und zwar gerade des wertvollsten, sein Licht unter den Scheffel zu «eilen, angeführt. Dies ist erfreulicherweise zumeist ein Ausdruck von Noblesse and echter Daseinsgeduld, der Zuversicht mtspringend, daß sich wahre Werte „von selbst“ durchsetzen, während dem Unwert mch das Tagesgetöse auf die Dauer nichts lützt. Diese Schau ist richtig und ehren-laft und soll sich beileibe nicht ändern. Dennoch aber gibt es die Möglichkeit, laß dritte Personen, selbst auf die Gefahr ain, einmal Fehlurteile zu fällen, dafür sorgen helfen, daß der österreichische Schriftsteller zu Lebzeiten einen Teil jener ermutigenden Anerkennung erfährt, iie ihm nach dem Tode nicht mehr allmviel nütst.

Aus solcher Oesinnung ist, mit nachhaltiger Unterstützung des Bundesministeriums für Unterricht, die Stiasny-Bücherei geschaffen worden, mit dem Ziel, Autoren von heute, aber auch bedeutende Geister der Vergangenheit durch Biographien, Interpretationen und Ausschnitte aus ihrem Lebenswerk vorzustellen. Daß dabei Erscheinungen von verschiedener Wertigkeit an die Reihe kommen, ist kaum zu vermeiden; daß die Auswahl unter den Lebenden ein heikles Unternehmen ist, liegt auf der Hand; eine dem Avantgardismus abholde, eher konservative Linie, die mancherlei Kritik ausgesetzt ist, ist unverkennbar. Auch kann man fragen, warum statt des Nibelungenliedes, das ohnehin zum bekanntesten Kulturgut gehört, nicht eine Gestalt wie Martin Buber gewählt wurde oder weshalb Franz Stelzhammer Karl Kraus vorgezogen wurde und so weiter, doch sollte man mit solchen Fragen vielleicht doch noch zuwarten, bis die Reihe größeren Umfang angenommen haben wird.

Heute sei einmal auf die Bände über Heimito von Doderer, Ernst Schönwiese, Christine Lavant, Georg Saiko und Carl Zuckmayer hingewiesen, die uns erreichten, und, Autoren betreffend, die bereits ihren festen Rang errungen haben, als ganz ausgezeichnete Zusammenstellungen gelten dürfen, versehen mit Erläuterungen, von denen etliche selbst wieder als bedeutende Essays zum Thema der Literatur der Gegenwart gewertet werden können.

Sehr erfreulich sind auch die uns ferner vorliegenden Bände über Friedrich Fürst Schwarzenberg, diesen immer noch viel zuwenig bekannten glänzenden Geist, eingeleitet von E. J. Görlich, ferner der gut komponierte Band über Adalbert Stifter, erläutert von Alois Großschopf, sowie die Zusammenstellung, die Wilhelm Szabo aus Werken des Neidhard von Reuenthal besorgte, wobei die kenntnisreiche und kluge Einleitung eigenes Gewicht hat. Insgesamt darf man der Reihe emsiges Wachstum, da und dort vielleicht auch eine Neubewertung der Nuancen wünschen, vor allem aber jene Verbreitung im In- und Ausland, die sie sich durch ihre Leistungen iängst verdient hat.

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