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Renouveau catholique: Falsch gezeichnet

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Bela Just ist 1954 gestorben, erst 48 Jahre alt, und sein Roman „Die Masken”, der erst nach seinem Tod erscheinen konnte, beschäftigt sich noch einmal mit einem der großen Themen des Renouveau catholique, mit der Prpblematik der Konventionsmoral und der Figur des Pharisäers. Literarisch, ästhetisch, von der Form her, ist sein letztes Werk nicht von Bedeutung. Es bedient sich der üblichen Schemata, ist glatt und routiniert geschrieben und ohne jeden künstlerischen Impetus, und Just hatte in dieser Hinsicht wohl auch keine Ambitionen. Als er sie einmal hatte, im Roman „Der Lastträger Gottes”, versagte er, und da kam es an den Tag, daß er kein Dichter war, sondern ein Diskussionsliterat, der nur mit Leidenschaft zur Sprache zu bringen versuchte, was ihm ein „Anliegen” war.

Nun, das „Anliegen” ist hier wieder zur Sprache gebracht, das und nichts anderes, und es sind drei sozusagen „unbewußte” Heuchler, denen er auf seine Art und Weise den Prozeß macht. Das hat er offenbar von Mauriac gelernt, der ihm mit feinem süffisanten und erbarmungslosen Roman „La’ Pharisienne” vorangegangen war (1941). Aber er war kein Mauriac, und seine Psychologie war von landläufigerer Art, ohne die Feinnervigkeit des Bordelaisers und auch ohne dessen Kunst des meisterhaften Dialogs. Justs Dialoge sind umständlich und gehören zu jener Schreibe, die keine Rede ist. (Wieweit hier vielleicht die Uebertragung versagte, entzieht sich meiner Kenntnis.) Es ist auch so, daß der Leser sich nur streckenweise engagieren kann, denn diese drei Heuchler haben trotz ihres akademischen Geh’bens zuwenig Niveau, um mehr zu werden als weibliche und männliche Bigotte von mehr kleinstädtischer Provenienz (obwohl ihr Milieu das vorkommunistische Budapest zu sein scheint). Im großen und ganzen wird man sagen müssen, daß man es weniger mit Heuchlern als mit Todfrommen zu tun hat, mit einer abgelebten Sorte von orthodoxen Fossilien, über die eine moderne Psychologie schon längst Bescheid weiß. Das Ganze ist ein wenig verspätet, denn diese Problematik war eine der anfangenden dreißiger Jahre, und inzwischen hat sich unsere’ moderne katholische Literatur ganz anderen Dingen zugewandt, soweit sie eben modern ist. Davon abgesehen, wird man es allerdings noch immer nicht überflüssig finden, mit der Sonde der Ironie und der Psychologie jene sonderbaren Gestalten abzutasten, die teils als Skrupulanten, teils als religiöse Žwangs- neurotiker auch heute noch die Ordinationszimmer der Psychotherapeuten belagern. Es gibt sie eben, und sie vergiften nicht selten die katholische Luft mit ihrer fragwürdigen Zweihundertprozentigkeit. Aber es sind meistens Kranke, und das scheint Bela Just übersehen zu haben, im Affekt vielleicht, und darum setzt er sich mit ihnen auseinander fast wie mit dem Bösen in Person.

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