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Wie hast du's mit der Objektivität?

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Geehrte Redaktion!

Die „Gretchenfrage“ des Herrn „Centurio : „Wie hast du's mit der Disziplin?“ in der Furche vom 31. August 1957 kann nicht unbeantwortet bleiben. Als Antwort drängt sich einem vorerst einmal die Gegenfrage: „Wie hast du s mit der Objektivität?“ an eben jenen Herrn auf, der offensichtlich der Meinung ist, (sein) Name sei zwar nicht „Schall und Rauch“ (wie es in Faustens Antwort auf die echte Gretchenfrage heißt), wohl aber — Centurio und damit anonym. Letzteres ist sehr schade, denn das Bundesministerium für Landesverteidigung hätte gerne den Namen jenes Oesterreichers gekannt, dem unsere „junge Armee“, wie es im Untertitel etwas altmodisch heißt, so sehr am Herzen liegt und der sie doch so wenig wirklich kennt! So bleibt also nichts anderes übrig, als die Antwort eben auch nur an „Centurio“ zu richten, zumal angenommen wird, daß sich im vorliegenden Falle die Redaktion der „Furche“ nicht mit dem anonymen Autor zu identifizieren wünscht.

Nach einer historischen Einleitung, die man ohne weiteres als dem Empfänger dieses nicht offenen „offenen Briefes“ bekannt hätte voraussetzen dürfen, werden, unbelastet von Hemmungen, mit frisch-fröhlicher Selbstsicherheit Feststellungen über die beim Bundesheer herrschende Disziplinpraxis gemacht, die zu beweisen dem Autor einigermaßen schwer fallen würde. Es scheint auch, daß es der Autor ist, der die Begriffe „verkannt“ hat, denn die für das Bundesheer zuständigen Stellen sind nicht der Meinung, daß Disziplin nur durch Strafgewalt herzustellen und Demokratie schon durch den Wegfall voh 08 15-Methoden zu beweisen sei.

Was hingegen unschwer zu beweisen wäre, ist die vom In- und Ausland einmütig anerkannte mustergültige Disziplin, die unsere jungen Soldaten, nachdem sie kaum erst die Uniform angezogen hatten, anläßlich der Ungarnkrise im Einsatz an der Grenze gezeigt haben. Hätte der besorgte Schreiber bei den jungen Soldaten selbst angefragt, er hätte auch übereinstimmend die Auskunft erhalten, daß ihre Ausbildung durchaus nickt mit dem Betrieb in einem Mädchenpensionat verwechselt werden konnte und daher auch eines „harten Anfassens in jenen Grenzen nicht entbehrte, die der Behandlung freier Menschen in einem demokratischen Staate gesetzt sind! Der Autor, der sich inzwischen sichtlich in Eifer geschrieben hat, glaubt dann sogar „Zeichen des Verfalls“ beim Bundesheer feststellen zu können. Dazu wäre zu sagen: Mängel sind wohl auch hier festzustellen und zuzugeben — wo findet man sie nicht. Man ist bemüht, ehrlich und andauernd bemüht, diese Mängel zu beheben. Glaubt aber der Verfasser wirklich, auf seine Weise der Abstellung dieser Mängel gedient zu haben?

„Centurio“ zählt dann die „Folgen“ jener Mißstände auf. Trotz seiner selbstgewählten Anonymität kann er nur aufgefordert werden: Bitte, die Karten auf den Tisch! Es ist möglich, daß einem Oesterreicher die Zustände beim Bundesheer so sehr am Herzen liegen, daß er darüber an eine Zeitung schreibt. Es ist aber unmöglich, daß ein Mann, dem diese angeblichen Zustände wirklich am Herzen liegen, sie nicht unter Angabe von Namen, Truppenteilen, Zeit und Ort bekanntgibt, damit sie abgestellt werden können und dies ohne besondere Aufforderung dazu! Solange nicht konkrete Tatsachen da sind, wird sich „Centurio“ des Vorwurfes unsachlicher, wenn nicht gar böswilliger Kritik kaum erwehren können.

Die zitierten „Allgemeinen Dienstvorschriften“ haben sich bisher bewährt. Die Truppe hat bis jetzt keine Klage darüber geführt, daß die Vorschriften ungeeignet wären. „Centurio“ dürfte das „Heftchen voller Allgemeinheiten“ gar nicht gelesen haben, denn sonst wären ihm die klaren und eindeutigen Vorschriften, die keineswegs allgemeiner Natur sind, nicht entgangen. (Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis gibt bereits darüber Auskunft genug.)

Aber auch dem hochgeschätzten Organ der „Furche“ kann ein Vorwurf nicht erspart bleiben. Es ist bekannt, wie sehr die „Furche“ die echten Anliegen Oesterreichs zu den ihren macht. Ist sie sich bei dieser Veröffentlichung aber auch bewußt gewesen, daß sie damit ihr Ansehen als seriöses Blatt im In- und Ausland als Rückendeckung für Behauptungen zur Verfügung gestellt hat, die zwar unschwer widerlegt werden können, das mühsam und ehrlich errungene Prestige des jungen Bundesheeres in den Augen vieler jedoch ernstlich gefährden müssen?, ,JA s

Für den Bundesminister: Leiter der wehrpolitischen Abteilung

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