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Koloraturenzauber

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Unter den Opernattraktionen dieser Saison im Teatro „La Fenice“ — darunter Mallpieros „Don Tartufo“ und „Capitan Spavento“, Bellinis „Fremde“ und Poulenc' „Menschliche Stimme“ — ist Gioacchino Rossinis „Armida“ mit Cristina Deutekom und dem römischen Dirigenten Carlo Franci die größte Sensation. Gerade dieses Werk hatte in der langen Reihe prominenter Rossini-Aufführungen des „Fenice“ gefehlt: Die Tradition reicht bis 1813 zurück, als Venedig des Meisters „Tancred“ bestellte. Es folgten insgesamt 23 in Venedig präsentierte Opern Rossinis, darunter „Der Barbier von Sevilla“ (mit 22 Inszenierungen seit 1835), „Otello“, „Wilhelm Teil“, „Zelmira“, „Moses in Ägypten“, „Semiramis“, „Der Stein der Weisen“ usw. „Armida'* war in diesem Jahrhundert erst einmal, 1952 in Florenz, mit Maria Callas, Francesco Albanese und Gianni Raimondi unter Tullio Serafin zu hören.

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Unter den Opernattraktionen dieser Saison im Teatro „La Fenice“ — darunter Mallpieros „Don Tartufo“ und „Capitan Spavento“, Bellinis „Fremde“ und Poulenc' „Menschliche Stimme“ — ist Gioacchino Rossinis „Armida“ mit Cristina Deutekom und dem römischen Dirigenten Carlo Franci die größte Sensation. Gerade dieses Werk hatte in der langen Reihe prominenter Rossini-Aufführungen des „Fenice“ gefehlt: Die Tradition reicht bis 1813 zurück, als Venedig des Meisters „Tancred“ bestellte. Es folgten insgesamt 23 in Venedig präsentierte Opern Rossinis, darunter „Der Barbier von Sevilla“ (mit 22 Inszenierungen seit 1835), „Otello“, „Wilhelm Teil“, „Zelmira“, „Moses in Ägypten“, „Semiramis“, „Der Stein der Weisen“ usw. „Armida'* war in diesem Jahrhundert erst einmal, 1952 in Florenz, mit Maria Callas, Francesco Albanese und Gianni Raimondi unter Tullio Serafin zu hören.

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Rossini schrieb das Werk 1817 als Bravourstück für einen Koloratursopran und sechs im Großeinsatz stehende Tenöre: eine über drei Stunden dauernde Märchenaktion um die Zauberin Armida, die den Kreuzfahrer Rinaldo mit ihrer Liebe in Bann schlägt. Zündende Märsche, Prachtaufzüge, ausladende Arien, Duette, Quartette, Sextette, randvoll mit schwierigen Fiorituren und gesanglicher Artistik, sind da Atouts. In diesem wahren Opernzirkus überbietet einer den anderen mit Gesangstrapezakten; und Venedigs Publikum, heute wie einst von Kunststücken am meisten fasziniert, lauert geradezu, Sänger für ihre Leistungen mit Beifall zu überschütten oder auszupfeifen. Das Ereignis der Aufführung: Die junge Holländerin Cristina Deutekom. Sie wird bei den Bregenzer Festspielen 1970 Bellinis Norma singen. In ihr hat das „Fenice“ den Star, ohne den dieses Werk nicht aufzuführen ist (Nicht ganz zu Unrecht hat Italiens Kritik prophezeit, sie könnte eine zweite Callas werden). Sie verfügt über einen fülligen, herrlich geschmeidigen Koloratursopran, mit weichem, in der Höhe heroisch strahlendem Timbre. Ihre, Verzierungsketten anzuhören, ist ein Vergnügen. Sie perlen schwerelos dahin. Und ihre Kan-tilenen läßt sie mit dem typischen Primadonnenpathos von 1890 schwellen und schmelzen.

Rund um sie hat Alberto Fassini eine Staatsaktion im üppigsten Stil des 19 Jahrhunderts inszeniert: Pathos, wohin man schaut, stereotype Massenregie mit malerisch gestellten Ensemblegruppierungen. Die große Primadonnenpose, wie man sie von Photos der Jahrhundertwende kennt, dominiert. Pier Lutgi Pizzis düstere, schleierverhängte Märchenlandschaften und wallende Samtkostüme mit Federn und Flitterwerk sind in Formen und Farben reinster Historismus. Sie könnten — typisch für diesen Stil — ebenso gut aus einer anderen Oper, etwa von Bellini oder Donizetti, stammen. Die Choreographie der Festaufzüge, Huldigungen, bösen Geister und Dämonen stammte von Serge Lifar ... Aber man muß eine solche Aufführung selbst gesehen haben, um die Reize dieser für Italien charakteristischen Inszenierungen zu verstehen!... Carlo Franci dirigierte: Nach Wien, wo er jährlich 15 Abende an der Staatsoper absolviert, und drei „Met“-Monaten hat er sich hier im ureigensten Fach buchstäblich austoben können. Er liebt das Bunte, Prickelnde. Und er weiß Heroisches zu präsentieren. Rossinis verwirrend lebendige Streichersätze blitzen blankgescheuert. Düsteres Blechge-dräu und wild flackerndes Holz werden im Schnelltempo ausgekostet. Die Iinstrumentalisten haben Virtuoses zu leisten. Franci muß sie stellenweise kräftig gedrillt haben. Die Kontakte zwischen Bühne und Orchester hält er straff.

Neben der Deutekom bewährte sich vor allem Pietro Bottazzo als ein mit metallischem Tenorglanz ausgestatteter Held Rinaldo. In lyrischen Szenen verströmt er sein helles schönes Stimmaterial, das sehr kultiviert geführt klingt. Sonst saubere Leistungen des Ensembles. Das Publikum tobte vor Begeisterung.

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