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Aus den Vitrinen der Filmgeschichte
Ueberläufer nennt man in der Branche die Filme, die vor 1945 entstanden, aber erst nachher erschienen sind. Ein solcher Ueberläufer ist der neue Film „T i e f 1 a n d" von Leni Riefenstahl, der durch seltsame Fügungen von Politik und Verwaltung eine halbe österreichische Staatsbürgerschaft bekommen hat und als deutsch-österreichische Produktion angekündigt in die Welt geht. Er knüpft an der Riefenstahl Gesellenstück „Das blaue Licht" an, bei dem Hans Schneeberger und der Filmtheoretiker Bela Balacz ihre Mitarbeiter waren, nicht nur, weil er 1935 schon konzipiert wurde, zur Zeit der Vorbereitungen für den Olympiafilm, sondern auch weil er photographisch und dramaturgisch an den balladesken Stil jenes frühen Films anschließt, deutlich Weiterentwicklung der Schule Dr. Arnold Fancks, großartig im Erfassen von Naturbestimmungen, im getragenen Wechsel von Bergbildern und im Glitzern des Morgentaues über Bergwiesen, großartig auch in seinem Versuch, die Landschaft zum dramatischen Mitspieler des Geschehens zu machen.
Darnach wäre er 1935, höchstens 1940, zu datieren — in das Jahr, in dem er begonnen wurde —, und daß er heute, 13 Jahre nach Drehbeginn, erscheint, macht den Film fast zu einem Anachronismus. Denn die Handlung selbst, eine erweiterte Inhaltsparaphrase des Opernlibrettos, aber auch die Darstellung entspricht diesem Naturhintergrund wenig. Die Hauptrollen sind zwar effektvoll, aber ohne „Tiefe" besetzt, und die Gestalterin des Films in der Hauptrolle des Zigeunermädchens ist eben Leni Riefenstahl vor 13 Jahren, aber nicht das romanische Naturwesen, das sie sein müßte, um zu überzeugen. So liegen Großartiges und Mittelmäßigkeit im Streit, und d’Alberts Motive sind bloß Musikkulisse eines Bergfikns.
Noch mehr Museumstück, das weder Gläubige noch Ungläubige bewegt, ist der wiederaufgeführte Film Duviviers „D as Kreuz von Golgath a", eine zwischen Pathos und Realismus pendelnde Illustration der Passionsgescbichte, in der nur Harry Baur als Herodes wehmütige Erinnerungen an große Schauspielkunst wachruft. Nicht, daß in diesem Film die Würde verletzt wäre, aber daß er die Gestalt des Heilandes nach geschickten Versuchen, sie nur in der Resonanz zu zeigen, schließlich doch auf die Leinwand bringt, daß er Mysterien .brilmt, ohne sie spüren zu lassen, macht ihn zu einem bloßen Vitrinenschaustück der Filmgeschichte.
In die Maske des Neoveiismus hüllt sich der sauber und gekonnt gemachte italienische Film „Hemmungslos", der drei angeblich dem Leben entnommene Schicksale verfolgt, die aber mit richtiger Filmkolportage aufgemachte Filmnoveilehen sind, die nur die realistischen Requisiten gebrauchen.
Unbeschwerte Unterhaltung bringen die Amerikaner mit „Aus den Wolken kommt das Glück". Ein Wiedersehen mit Heinrich Georges Schauspielerpersönüchkeit freut selbst in Veit Harlans Effekthistorie aus dem noch unzerstörten ‘Nürnberg „Das unsterbliche Herz", und aus Frankreich hat man eine farbige Fortsetzung des Caroline-Cherie-Films importiert, die sich „Mein Leben für die Liebe" nennt, deren dürftiger
Inhalt durch die oft noch dürftigere Bekleidung der Hauptdarstellerin aufgewogen werden soll, die darstellerisch leider sonst nichts zu bieten hat.
Dr. Ludwig G e s e k
Fi im sch au (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich), Nr. 20, vom 20. Mai 1954: III (für Erwachsene und reifere Jugend): „Aus. den Wolken kommt das Glück", „Das goldene Schwert" — IV (für Erwachsene): „Große Schwachen — kleine Sünden". „Hemmungslos", „Herrin der Gesetzlosen" — IV a (für Erwachsene mit Vorbehalt): „Das unsterbliche Herz" — VI (abzulehnen): „Mein Leben für die Liebe."
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