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Mozart in Dokument und Bild

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MOZART. Die Dokumente seines Lebens. Gesammelt und erläutert von Otto Erich Deutsch. Bärenreiter-Verlag, Kassel. 606 Seiten. Preis 52 DM. — MOZART UND SEINE WELT IN ZEITGENÖSSISCHEN BILDERN. Von Otto Erich Deutsch und Maximilian Z e n g e r. Bärenreiter-Verlag, Kassel. 404 Seiten, 659 Abbildungen. Preis 84 DM.

Wie leicht das Zeugnis vom irdischen Dasein eines großen Mannes in Legende und deutende Willkür übergeht, dessen gibt Mozarts Nachruhm ein warnendes, wenngleich bisweilen rührendes Beispiel. Bis in die Höhen der Literatur reicht die Mozartfälschung, die im 19. Jahrhundert fast kollektive Formen annahm, und nicht geringer haben bildende Künstler vieler Nationen an der Verunstaltung und Verniedlichung eines Antlitzes teil, dessen schlichte Wirklichkeit hinter dem Anspruch der Adoranten zurücksteht. Hier korrigierend einzugreifen, war eine Aufgabe, derer sich schon Arthur Schurig seit 1913 befleißigt hatte, die dann von der neueren Mozartliteratur mehrfach aufgenommen wurde, ohne doch je Endgültiges hervorzubringen. Erstaunlich, daß auch der Gaurisankar von Druckschriften, die in den Jubiläumsjahren 1941 und 1956 zutage kamen, nur in seltenen Fällen Dokumentiertes von falsch Überliefertem ganz scheidet.

Otto Erich Deutsch, der beste lebende Schubert-Kenner, hat sich seit 1931 immer wieder in bedeutenden Publikationen auch mit den Problemen cier Mozart-Forschung auf GrundT von Dokumenten befaßt. Der verehrungswürdige, fast achtzigjährige Wiener Forscher legt nun zwei Bände vor, die wohl das letzte Wort darstellen, was über Mozarts Leben und Umwelt aus Kenntnis aller Quellen zu sprechen war. Ein Textband enthält die lückenlose Zusammenfassung der heute bekannten Dokumente aus Mozarts Leben von der Salzburger Taufbuch-Eintragung (wo Wolfgangs zweiter Name noch griechisch als Theo-philus erscheint) bis zu den Diagnosen der Todeskrankheit. Sie füllen 3 52 Seiten des stattlichen Bandes. Ihnen sind Dokumente der Familie (Eltern und Vorfahren) vorangestellt und 115 Seiten literarisch-publizistischen „Nachklangs“ angefügt, von Konstanzens Trauernotiz in Mozarts Stammbuch bis zu Ferdinand Hillers „Künstlerleben“ mit der Schilderung von Mozarts Wiener Wohnung in der Schulerstraße. Ein Anhang bringt die Namen von Subskribenten der Mozartkonzerte in Wien, 1784, die Akten des Mozartschen Nachlasses und die originalen Wortlaute derjenigen Dokumente, die im Hauptteil aus dem Holländischen, Dänischen und

Ungarischen übersetzt sind. Dieses Meisterwerk der Akribie und Vollständigkeit war schon 1948 zwischen Otto Erich Deutsch und dem englischen Verlag Black vereinbart, bevor 1956 der Vertrag für die Neue Mozart-Ausgabe geschlossen wurde. Die Verzögerung des Erscheinungstermins ließ weitere Quellen erschließen, die in einem Nachtrag berücksichtigt sind. Er enthält einige Entdeckungen des inzwischen verstorbenen Mozart-Forschers Ernst Fritz Schmidt sowie die erstaunlichen Funde des jungen englischen Musikologen Christopher Raeburn.

Für die wissenschaftliche und journalistische Auswertung sind schließlich die angehängten Register von unschätzbarem Wert. Verzeichnisse der im Text erwähnten Mozart-Werke nach Köchel-Nummern und nach Gattungen sowie ein Generalregister der Personen und Orte, meisterliche Arbeit von Dr. Monika Holl.

Die Bewunderung des Textbandes steigert sich zum Entzücken, wenn man den Bildband durchsieht. Mit seinen 659 Reproduktionen, dabei sechs farbigen, ganzseitigen, ist dies ein warhaftes • Kompendium der Mozart-Ikonographie. Es umfaßt eigentlich das ganze Milieu, Personen und Dinge, zwischen denen der Genius sich entwickelt gelebt und geschaffen hat. Die Reihe der 26 historischen Mozart-Porträts endet mit dem Meisterbild Barbara Kraffts (einem der merkwürdigsten Beweise, daß Intuition und künstlerische Begabung die Anschauung ersetzen kann, denn die Krafft hat Mozart nie gesehen). An sie schliefet sich der Hauptteil, „Mozarts Leben in Bildern“, an, beginnend mit Jeremias Wolffs Augsburg-Stich, endend mit der angeblichen Totenmaske und dem angeblichen Schädel. Der Text (auch englisch) bringt kurze dokumentarische Nachrichten zur Mozart-Ikonographie und Kommentare zu den Abbildungen, in denen wahrhaft die Lebensgeschichte des Komponisten sich spiegelt. In einem Anhang werden angebliche Porträts sowie Fälschungen in Auswahl gezeigt.

Das Werk ist inhaltlich, typographisch und reproduktionstechnisch eine Leistung, auf die das Jahrhundert stolz sein darf. Es gereicht der ganzen Musikwissenschaft, zur Ehre.

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