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Arge Modesorgen

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Die österreichische Bekleidungsindustrie, die schon seit Jahren unter dem ständig steigenden Importdruck stöhnt, hat seit Dezember 1972 ein handfestes Argument zur Hand, um vor weiteren Importliberalisierungen zu warnen.

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Die österreichische Bekleidungsindustrie, die schon seit Jahren unter dem ständig steigenden Importdruck stöhnt, hat seit Dezember 1972 ein handfestes Argument zur Hand, um vor weiteren Importliberalisierungen zu warnen.

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Erstmals wurde nämlich im vergangenen Jahr mehr Bekleidung nach Österreich eingeführt, als österreichische Waren im Ausland abgesetzt werden konnten. In Zahlen ausgedrückt: Nicht ganz 27 Prozent der österreichischen Produktion gingen ins Ausland, aber 28 Prozent der in Österreich abgesetzten Bekleidung stammte aus ausländischer Produktion.

Wichtigster Handelspartner auf dem Bekleidungssektor ist nach wie vor die Bundesrepublik Deutschland. Aber auch die anderen Staaten der Europäischen Gemeinschaften haben sich zu einem stark expansiven Markt entwickelt, allerdings nicht gerade zu Gunsten der österreichischen Bekleidungsindustrie. Die Einfuhren aus dem EG-Raum haben nämlich im vergangenen Jahr erstmals die 1-Milliarden-Schilling-Grenze überschritten.

Wie stark die Diskrepanz zwischen Einfuhr- und Ausfuhrentwicklung auf dem Bekleidungssektor im vergangenen Jahr bereits war, zeigt deutlich die Entwicklung der Steigerungsraten: Während die Importe im Jahr 1972 um mehr als 30 Prozent anstiegen, konnten die österreichischen Exporteure nur einen Zuwachs von nicht ganz zehn Prozent verzeichnen.

Besonders deutlich ist die Differenz bei den größten „Feinden“ der inländischen Bekleidungsindustrie zu sehen: den 9,7 Prozent Exportzuwachs bei der österreichischen Industrie stehen 62,9 Prozent Import-zuwachs aus dem Raum Südostasien entgegen. Mit 237 Millionen Schilling haben die Importe aus diesem Raum bereits eine respektable Größe erreicht. Verglichen mit dem Produktionswert der österreichischen Bekleidungsindustrie, der im vergange-

nen Jahr immerhin rund 8,3 Milliarden. Schilling erreichte, ist diese Ziffer allerdings gering.

Hauptursache für die rasante Importausweitung aus dem südostasiatischen Raum dürfte die steil ansteigende Kurve der Lohn- und Lohnnebenkosten in Österreich sein. Verbunden mit dem nach wie vor problematischen Arbeitskräftemangel ist die österreichische Bekleidungsindustrie vor allem bei Billigprodukten einfach nicht mehr konkurrenzfähig. Aber nicht nur Südostasien, und hier vor allem Japan und Nationalchina, auch der benachbarte Ostblock kann auf dem österreichischen Bekleidungsmarkt immer größere Erfolge erzielen.

Nach Ansicht der zuständigen Funktionäre der Bundeswirtschaftskammer und der Industriellenver-einigung müssen die österreichischen Betriebe in Zukunft auf einen Qualitäts- und Modevorsprung achten, um wenigstens mit ihren Konkurrenten in Westeuropa in eine echte Konkurrenz treten zu können. Das Problem des Arbeitskräftemangels ist ja kein spezifisch österreichisches, sondern, ebenso wie die steigenden Lohnkosten, ein europäisches Phänomen.

Auch eine Differenzierung des Sortiments wäre nach Ansicht der Vertreter der Bekleidungsindustrie angebracht. Das zukunftsträchtige Geschäft mit der Freizeitkleidung soll den entgangenen Gewinn bei den Massenprodukten wenigstens einigermaßen wettmachen. Ob allerdings sowohl eine Aufhebung der Einfuhr-liberaMsierung gegenüber dem Westen und dem Osten, als audi eine freiwillige Selbstbeschränkung südostasiatischer Exporte erreicht werden kann, wie sich die Interessenvertretung dies wünscht, bleibt mehr als fraglich. Die Zeiten der Schutzzölle sind auch für Österreich wohl endgültig vorbei.

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