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Radikale Spezialisierung

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Da wäre einmal die mehr als erfreuliche Tatsache, daß der Export oberösterreichischer Industrieprodukte 1969 gegenüber 1968 um 23 Prozent angestiegen ist — ein bisher nie erreichtes Rekordergebnis — und daß der Exportanteil der oberösterreichischen Industrie 35,2 ausmacht. Und da wäre auf der anderen Seite der Bericht des österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung „Die Wirtschaft nach Bundesländern 1969“, in dem es heißt: „Oberösterreich hatte 1969 eine überdurchschnittliche Konjunktur. Produktion und Beschäftigung in der Industrie stiegen stärker als im übrigen Bundesgebiet ... Infolge der hohen Exportabhängigkeit wichtiger Industriezweige (Schwerindustrie, Eisenverarbeitung, Papiererzeugung) unterliegt die oberösterreichische Wirtschaft Konjunkturschwankungen etwas stärker als die Gesamtwirtschaft. Sie wächst daher in Jahren guter Konjunktur kräftiger und bleibt in Jahren schwacher Konjunktur zurück (das mittelfristige Wachstum entspricht etwa dem österreichischen Durchschnitt).“

Was soll Oberösterreich tun? Den Export bremsen, eben jenen Export, dessen Erfolge ihm nicht ohne weiteres in den Schoß gefallen sind? So stieg der Export 1968 gegenüber dem (krisenhaften) Jahr 1967 immerhin um 17,7 Prozent und im darauffolgenden Jahr 1969 um 23 Prozent — ein auch im internationalen Vergleich ansehnlicher Prozentsatz! Der Wert der exportierten Waren erreichte 1969 40,3 Milliarden Schilling. In den Indiustrieexporten waren 523 Firmen (darunter 200 Sägewerke) eingeschaltet, 1968 waren es nur 457 Firmen. 1968 waren es 16 Betriebe, 1969 bereits 19 Betriebe, deren Exportwert jährlich die 100-Milllonen-Grenze überschritt.

Zweifellos wird nicht „zuviel“ exportiert. Gerade im Krisenjahr 1967 haben Firmen vielfach überhaupt erst einmal Export-Experimente durchgeführt und waren über diese Erfolge in schwerer Zeit überrascht. Die sichtbare Umstrukturierung nach Exportländer-Gruppen zeigt darüber hinaus, daß erst recht der Export eine ständige Mobilität nötig macht. Auch unterscheiden sich die oberösterreichischen Export-Länder wesentlich von der gesamtösterreichischen Exportentwicklung. Niedriger ist in Oberösterreich der Anteil der am EWG- (35,6 statt gesamtösterreichisch 41,4 Prozent) und am EFTA-Export (17 statt 24,5 Prozent), höher ist der Exportanteil nach dem Ostblock (25 statt 13,5 Prozent) und nach den sonstigen Ländern (22,3 statt 20,6 Prozenit). Es ist natürlich in erster Linie die Struktur der oberösterreichischen Industrie, die den Export bestimmt, und in Zeiten einer Eisen- und Stahlkrise (die ja in staunenswertem Tempo und völlig unerwartet überwunden wurde) hatte es natürlich gerade Oberöstenreich, mit der größten Stahlindustrie Österreichs, nicht leicht.

Aber nicht nur die VÖESt. hat einen radikalen (und erfolgreichen) Spezialisierungsprozeß durchgemacht. Der Erfolg fast aller exportorientierten Betriebe lag nun einmal in einer radikalen Spezialisierung, die sich oft schon in wenigen Jahren bezahlt machte. So war es bei den Schuhfirmen „Dachstein“ und „Kastinger“, die Ski- und Bergschuhe in nahezu alle Kontinente exportieren; so ist es mit ihren Glaslustern bei der Kremsmünsterer Glasmanufaktur Schöller, so ist es bei der Texilma-sohinenf abrik Dr. Fehrer in Linz, deren Stolz es ist, gerade in jene Länder am meisten zu exportieren, in denen die stärkste Konkurrenz sitzt: nach England und nach Amerika, aber auch bei der GFM in Steyr, die sich auf Schmiedemaschinen und Kurbelwellenfräsmaschinen spezialisiert hat, ist es so, daß sie gerade in Zeiten einer Rezession die meisten Aufträge erhält. Und schließlich bei den Landmaschinenfabriken, die im Raum Wels-Grieskirchen konzentriert sind, kam der Erfolg und der Exporterfolg nach einer radikalen Spezialisierung und Konzentration auf relativ wenige Typen und Typenreihen.

Darüber hinaus gibt es noch einen „stillen“ und kaum sichtbaren Export: eine Reihe obarösterreichischer Firmen hat Zweigbetriebe für den EWG-Raum in der Bundesrepublik und hier wieder im niederbayrischen Raum errichtet. Einen Zusammenschluß auf gewerblicher Ebene haben eigentlich nur die „Gablonzer“ im Räume Enns vorexerziert. Die 140 gewerblichen Betriebe der Gablonzer exportierten 1969 für 240 Millionen Schilling, wozu noch 70 Millionen auf Gablonzer Industriebetriebe entfallen.

Neben dem wirtschaftlichen Aspekt des Exportes sollte der psychologische nicht unbeachtet bleiben: der permanente Wettkampf auf dem Weltmarkt macht beweglich und selbstsicher — nicht nur den Unternehmer, sondern auch die Arbeiter, und der oft wählerische österreichische Kunde wird durch Exporterfolge mehr als durch andere Dinge beeindruckt.

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