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Auf den ersten Blick

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Die Karte als Mittel der Veranschaulichung ist der historischen Forschung schon lange eine Selbstverständlichkeit. Vergleichsweise jung hingegen ist die Arbeitsweise mit Hilfe der methodischen Kartierung, welche die Karte zur selbständigen Aussageform erhebt. Die thematische Kartographie, die hier ein weites und noch keineswegs abgeschlossenes Betätigungsfeld gefunden hat, ist nun gerade an der Wiener Universität hervorragend repräsentiert und hat in Ernst Bernleithner einen ihrer prononciertesten Vertreter. Als 1961 im Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen, einer Anregung der Internationalen Kommission für vergleichende Kirchengeschichte (CIHEC) folgend, die Sous-Commission de Cartographie zu einem Kolloquium über „Kirchliche Kartographie in Vergangenheit und Gegenwart“ zusammentrat, wurde Bernleithner als österreichischer Experte für historische Kartographie beigezogen und zum Präsidenten für Kirchenhistorische Kartographie gewählt.

Als Ergebnis dieses Kolloquiums wurde ein Programm gemacht, das neben der Herausgabe einer internationalen Bibliographie kirchenhistorischer Karten auch die eines Kartenwerks vorsah, das insgesamt zehn Themen berücksichtigen sollte. Es kann als Anerkennung der öster-

reichischen Leistungen auf diesem Wissenschaftsgebiet gelten, daß das Geographische Institut der Universität Wien als Redaktions- und Herausgabeort bestimmt und Professor Bernleithner mit der Leitung des Unternehmens betraut wurde. So konnte nunmehr am Beispiel Österreichs erstmals die Durchführung des „Göttinger Programms“ gezeigt werden.

Von den insgesamt 24 Karten, die in zwei Lieferungen erschienen sind, hat der Herausgeber selbst elf entworfen, an der Herstellung von weiteren zehn mitgearbeitet Erstrangige Kräfte konnten als Fachberater und Mitarbeiter gewonnen werden. So finden sich unter den Bearbeitern einzelner Karten die Theologen und Kirchenhistoriker Pinsker, Sakrau-sky und Wodka (+), die Volkskundler Beitl, Mais und Schmidt, der Historiker und Soziologe Bodzenta sowie der Geograph Kinauer. Die kartographische Gestaltung besorgten Wilhelm Wagner und Fritz Ko-belhirt, den vorzüglichen Druck die Kartographische Anstalt Freytag-Berndt und Artaria KG, Wien.

Den einzelnen Blättern liegt eine dreifarbige Grundkarte (im Maßstab 1 :1 Million) zugrunde. Sie werden vielfach durch Nebenkarten, die Detailprobleme — vor allem Wiener Verhältnisse — gleichsam „vergrößert“ herausheben, ergänzt. Jeder

Karte ist ein kurzer Kommentar beigegeben, der auch genaue Angaben über die Arbeitsgrundlagen enthält.

Sechs Themengruppen, innerhalb welcher das Göttinger „Zehnpunkteprogramm“ verwirklicht wurde, gelangen zur Darstellung. Das Aufzeigen der Diözesan- und Dekanatsgliederung in zeitlichen Schnitten gibt einen instruktiven Überblick über die Entwicklung der territorialen kirchlichen Organisation des Landes. Methodisch anders geartet ist die ausgezeichnete Erfassung des Ordenswesens. Eigene Karten sind dabei dem Wachstum und der Verbreitung der Societas Jesu in Österreich sowie den kirchen- und kulturhistorisch besonders bedeutsamen Bewegungen der Waldenser, Geißler und Täufer gewidmet. Unter ähnlichen Gesichtspunkten und in korrespondierender Arbeitsweise erfolgte die Zusammenstellung des Wallfahrtswesens, der Heiligen Verehrung und der Entwicklung der Patrozi-nien, wobei auch dynamische Aspekte berücksichtigt werden mußten.

Sind alle bisher genannten Karten thematisch überwiegend historisch ausgerichtet, so geht die letzte Gruppe auf Gegenwartserscheinun^ gen ein. Den Ubergang bildet dabei die Darstellung der Konfessionen in Österreich, wobei die Verhältnisse um 1580 jenen von 1961 gegenübergestellt werden. Methodisch gut gelöst ist die Sichtbarmachung der Kirchlichkeit in Österreich im Kartenbild. Abgerundet wird der Atlas durch eine .Bestandsaufnahme der kirchlichen Sozialfürsorge sowie der religiösen Laienbewegung und der kirchlichen Vereine in Österreich.

Ein stattliches, ein umfassendes Werk wird dem Fachmann und dem Interessierten vorgelegt. Es ist ein erster Schritt und in manchen Einzelheiten — etwa in der Gestaltung der Kartentitel — kann man auch schon in der zweiten Lieferung Verbesserungen feststellen.

Der Wert dieses Kartenwerks liegt vor allem in der Überschaubarkeit des Gebotenen, das dennoch nicht auf Randgebiete — wie die religiöse Volkskunde — oder auf aktuelle Dokumentation verzichtet hat. Für Forschung, Lehre und Information wurde ein vorzüglicher Behelf geschaffen, dem man wünschen kann, daß er die verdiente Beachtung findet.

KIRCHENHISTORISCHER ATLAS VON ÖSTERREICH. Redigiert und herausgegeben von Ernst Bernleithner. Sonderband der' Veröffentlichungen des Kirchenhistorischen Instituts der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien. Wiener Dom-Verlag 1967/1972. 24 Bl. S 620.—.

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