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Aufbruch zur Sprachkunst

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Im dichterischen Wort zeigt sich menschliche Sprache in verdichteter Form. Beim Hören oder Lesen von Wort-Kunst kann erfahrbar werden, was das Wort des Menschen auszudrücken vermag. Selbst dort- oder genauer: gerade dort —, wo das Wort an den Rand des Schweigens gerät, verweist es auf Tiefen, die sprachlich nicht mehr auszuloten sind. Dichterische Sprache, wo sie diese Bezeichnung wirklich verdient, erwächst aus dem Geheimnis, das Mensch-Sein bedeutet.

Von einem solchen Verständnis dichterischer Ausdruckskraft her legt es sich nahe, daß Christen -für die das Wort, das Mensch geworden ist, die Mitte ihres Glaubens bildet — es als bedeutende Aufgabe ansehen, sich mit der Wortkunst ihrer Zeit zu befassen. Viel läßt sich von der Sprache der Dichtung lernen. Menschliche Erfahrungen werden in der Sprache der jeweiligen Zeit zur Darstellung gebracht. Schriftsteller sind „Sprachrohr“ für viele ihrer Zeitgenossen, die ähnliches erfahren haben, aber des Wortes nicht in der gleichen Weise mächtig sind.Der hellhörige Leser lernt durch die Kenntnis literarischer Werke seine Zeit und vielleicht auch sich selbst besser verstehen.

Für Christen, die das menschgewordene Wort nicht für sich behalten wollen, sondern es als ein für einander gegebenes Wort betrachten, ist es von besonderer Bedeutsamkeit, die Sprache der jeweiligen Zeit zu verstehen, die Freuden, Probleme, Ängste und Leiden ihrer Mitmenschen zu kennen, um mit ihnen im Gespräch sein zu können. Wenn sie von der Hoffnung, die sie erfüllt, Zeugnis geben, sollen sie dieses nicht in veraltete Sprachklischees kleiden, sondern es als entsprechende Antwort auf die Fragen der jeweiligen Zeit und in deren Sprache vermitteln. Für diesen Dialog ist es hilfreich, sich in die Schule der Literatur zu begeben. Gerade dort, wo Andersdenkende ihre Anliegen, ihre Kritik, ihre Zweifel formulieren, wird der Christ hinhören und sein Verständnis schulen, damit die Frohe Botschaft umso heller strahle.

Daher ist es naheliegend, auch im kirchlichen Bereich,die Be-fassung mit Literatur als wichtige Aufgabe anzusehen. Spezifische Beachtung finden literarische Werke in einer der Einrichtungen der Katholischen Aktion, dem „Literarischen Forum“ (vormals „Buch und Schrifttum“).

Literatur aus christlicher Sicht zu betrachten und sich in ihre Schule zu begeben, ist hier ein besonderes Anliegen. Im Rahmen eines „Fernkurses für Literatur“ wird ermöglicht, sich auswahlweise anhand der angebotenen Interpretationen detaillierter mit einzelnen Werken und literarischen Strömungen zu befassen. Bei verschiedenen Veranstaltungen können literarisch Interessierte über ihre Leseerfahrungen miteinander sprechen und durch fachkundige Referenten weitere Informationen und Orientierungen erhalten.

Ein wesentlicher Aufgabenbereich, durch den die Offenheit des „Literarischen Forums“ in besonderer Weise zum Ausdruck kommt, liegt im direkten Kontakt mit Schriftstellern. Diese werden zu Lesungen eingeladen und geben über ihre persönlichen Auffassungen von dichterischem Schaffen Auskunft. Ein weiteres wichtiges Arbeitsgebiet wird darin erblickt, eine Ubersicht über die ständig wachsende Fülle von Neuerscheinungen zu vermitteln. Dies geschieht durch die Rezensionszeitschrift „Die Zeit im Buch“.

So bewegt sich das Wirken des „Literarischen Forums“ auf verschiedenen Wegen, auf denen fruchtbare Begegnungen mit Literatur erhofft werden. Viele Wege sind noch nicht begangen, weist doch die literarische Landkarte unüberschaubar viele bedeutsame Zielpunkte auf. Das Bemühen geht in der Richtung, Einseitigkeiten zu vermeiden und sich einer ausgewogenen Auswahl von literarischen Texten anzunähern.

Die Autorin ist wissenschaftliche Assistentin des „Literarischen Forums“.

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