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Auto 1984

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Ja, wir alle erinnern uns noch an jenen 1. April 1978, an dem es in Österreich ernst wurde mit der „Bewirtschaftung des Parkraumes“, die ein heimischer Verkehrsfachmann bekanntlich Ende August 1977 angekündigt hatte. Anläßlich des dreimillionsten Kraftfahrzeuges in Österreich. Waren das noch Zeiten, als man, wenn man Glück hattej selbst in der Wiener Innenstadt nach kaum zweistündigem Rundendrehen einen Patz in einer Kurzparkzone ergattern konnte und nur sechs Schilling entrichten mußte, um den Wagen für eineinhalb Stunden verlassen zu dürfen…

Der Einführung der sogenannten Parkplatz-Bezugscheineging bekanntlich eine stürmische Parlamentsdebatte voraus, in der die Opposition den „Gesetzesentwurf über die Einführung eines Bedarfsnachweises für Park- platzbenützer“ mit einem Vorschlag konterte, doch lieber, weil dies immer noch besser sei, Wien und alle Landeshauptstädte generell zu blauen Zonen zu erklären und die Parkgebühr auf 20 Schilling pro Stunde zu erhöhen.

Ja, wir alle erinnern uns an den Kompromiß, der in tagelangem Ringen dann doch zustande kam und von der Regierungspartei als Beweis ihrer Kon- zilianz, von der Opposition aber als Anzeichen für die offenbar doch vorhandenen Chancen einer konstruktiven Kritik gefeiert wurde. Die Einführung des Bedarfsnachweises für die Parkplatzbenutzer wurde auf sechs Monate zurückgestellt, die Parkgebühr hingegen auf 60 Schilling pro Stunde erhöht. In einer dramatischen Nachtsitzung kam sogar noch eine Sonderregelung zustande, die seither gegen eine Jahresgebühr von eintausend Schilling, den in blauen Zonen, das heißt in Städten mit mehr als 30.000 Einwohnern, polizeilich gemeldeten Autofahrern kostenloses Parken im Umkreis von 150 Metern rund um ihr Wohnhaus gestattet, selbstverständlich nur, sofeme sie dort einen Parkplatz finden.

Ja, denken wir nur zurück, es wurde damals zwar viel geschimpft, aber jene

Zeiten, wo die Zahl der Politessen in Österreichs Städten verzehnfacht werden mußte, wo sie sich mit ihren Meßfäden fallweise hoffnungslos verhedderten, und der Oberste Gerichtshof an seinem historischen Erkenntnis feilte, maßgeblich für gesetzeskonformes Freiparken-sei die Einhaltung eines „auf kürzestem Weg gemessenen Abstandes von 150 Metern zwischen vorderer oder hinterer Stoßstange des geparkten Fahrzeuges und der dem geparkten Fahrzeug zugekehrten Begrenzung des auf der Plakette ersichtlich gemachten Haustores“ - ja, geben wir es zu, im Rückblick erscheinen uns diese Zeiten nicht als die schlechtesten.

Denn natürlich wurde auch der Parkplatz-Bezugsschein Wirklichkeit, ohne den man „in besonders verkehrsbelasteten Stadtgebieten der Republik Österreich“, und das heißt in den meisten Straßen der meisten Orte, selbst gegen Gebühr nicht parken und nur in zwingenden Fällen bis zu zehn Minuten halten darf.

1 Aber selbstverständlich gibt es Ausnahmen. Sie werden Ärzten, Einsatzfahrzeugen aller Art, öffentlichen Verkehrsmitteln, Austro-Porsche-Fahrem (Der Verkehrsminister: „Prämie für Patriotismus und Vernunft“) sowie solchen Personen zugestanden, die „aufgrund eines öffentlichen Interesses tätig sind,“, welch letzteres die „Parkraumbewirtschaftungsämter“, infolge entsprechend strenger Bewertungsmaßstäbe, fast nur bei Politikern für gegeben ansehen und den Betreffenden in Form eines „über dem vorderen polizeilichen Nummernschild anzubringenden, mit dem Dienstsiegel versehenen ,roten Winkels’ bescheinigen.“

Jetzt schreiben wir 1984, und seit der Zulassung des fünfmillionsten Autos muß jeder Autokäufer eine Bundesabgabe entrichten, die den Baukosten eines Parkplatzes entspricht, mangels Platz aber nicht widmungsmäßig verwendet werden kann und daher dem allgemeinen Budget zufließt. Natürlich wurden einige Zeit weniger Autos gekauft. Aber das ist vorbei, seit die 100- Schilling-Prohibitiv-Tarife die Überlastung der Straßenbahnen und städtischen Autobusse hintanhalten und die verbilligten 25-Schilling-Vorverkaufs- fahrscheine nur noch von Personen benützt werden dürfen, die beweisen können, daß sie niemals ein Kraftfahrzeug besessen haben.

Alle übrigen Österreicher halten nur noch, um zu tanken.

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