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Boden-Spekulanten: Ja Privateigentum: Nein

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Die Psychoanalyse sei selbst die Krankheit, die sie zu heilen vorgibt, hat einmal Karl Kraus behauptet. Was im Fall der Psychoanalyse bestenfalls partiell zutrifft, ist im Hinblick auf den Sozialismus in sehr viel höherem Maß richtig. Einen neuen Beweis dafür hat vor kurzem Wiens Finanzstadtrat Hans Mayr geliefert.

In einem Interview machte er den Vorschlag, privates Grundeigentum derart zu beschränken, daß es sich nicht mehr auf Gebäude erstrecke, die auf diesem Grund stehen oder gebaut werden. Wohnungs- und Hauseigentum sollte in Hinkunft nur noch als Nutzungsrecht bestehen.

Es soll hier nicht die juristische Ab-strusität dieses Vorschlags untersucht werden, noch auch die Komplikationen, die aus einem solchen gespaltenen Eigentum resultieren müssen. Daß es sich dabei lediglich um einen ersten Schritt zur totalen Enteignung handelt, hat der Stadtrat indirekt selbst zugegeben, indem er zusätzlich für dicht verbaute Gebiete gefordert hat: „Die Allgemeinheit soll den Grund besitzen - es ist ja schließlich auch die ureigenste Aufgabe der Gemeinde, den Grund zu verwalten.“

Immer, wenn die Gemeinde Wien oder eine ihre nahestehende Genos-

senschaft irgendwo Bauabsichten haben, erfahren private Grundstückmakler davon, listen den bisherigen Besitzern die entsprechenden Grundstücke ab, um sie dann wenig später der Gemeinde mit einem Gewinn von häufig mehreren 100 Prozent weiterzuverkaufen. Erst vor kurzem sind derartige

„undurchsichtige“ Transaktionen im Bereich des sozialen Wohnbaus - präziser: bei der gemeindenahen GESIB A - bekannt geworden.

Man kann Mayr nur zustimmen, daß da endlich etwas geschehen muß. Der Vorschlag Stadtrat Schieders, spekulativ aufgekaufte Grundstücke mit einer „Art Steuer“ zu belegen, ist angeblich an rechtlichen Bedenken gescheitert, weshalb nun Mayr seinen kalten Enteighungsvorschlag macht - erstaunlicherweise ohne rechtliche Bedenken.

Noch erstaunlicher ist, daß dem Finanzstadtrat nicht da,s Naheliegendste

einfällt: Nachzuforschen, woher denn die privaten Grundstückmakler denn ihre Information haben. Man wird da wahrscheinlich gar nicht so weit suchen müssen.

Aber natürlich, gewisse Dinge sind für einen gestandenen Sozialisten „denkunmöglich“. Wo immer Miß-

stände auftreten, gibt es bloß eine Antwort: Der Kapitalismus ist schuld, „das“ Privateigentum. Daß Privateigentum nicht immer gleich Privateigentum ist, daß dasjenige eines kleinen Mannes, der mit seinen verdienten Ersparnissen Haus- und Grundbesitz erworben hat - in der vergeblichen Hoffnung, sich dadurch vor Substanzvenlusten schützen zu können - etwas total anderes als dasjenige eines Spekulanten ist, kommt einem sozialistischen Saubermann selbstredend nicht in den Sinn.

Die sauberste Lösung wäre selbstverständlich die Schaffung einer ge-

setzlichen Bestimmung, die die Spekulanten verpflichtet, Wiederveräuße-rungsgewinne innerhalb einer gewissen - nicht zu knapp bemessenen -Frist an die ursprünglichen langjährigen Besitzer weiterzugeben. Dies wäre juristisch unbedenklich, ja sogar dringend erforderlich: Kommt doch die Ausnutzung eines - noch dazu auf dubiosem Weg erworbenen - Informa-tionsvprteils seitens des Spekulanten dem Tatbestand der arglistigen Täuschung sehr nahe.

Mit dieser Regelung würde die Sache für den Spekulanten uninteressant, und für die öffentliche Hand würde daraus der Vorteil resultieren, daß sie von den ursprünglichen Besitzern in den meisten Fällen die Grundstücke bei weitem billiger - wenn auch vielleicht nicht ganz so billig wie die Spekulanten - erwerben könnten.

Doch derartiges kommt nicht in Frage. Lieber sollen die Spekulanten das große Geld machen, bevor ein ehrlicher Anleger von Ersparnissen einen angemessenen Gegenwert bekommt. Und wenn auch die Mißstände nicht durch zu wenig, sondern durch zu viel Sozialismus entstanden sind, die Remedur kann nur lauten: Noch mehr Sozialismus.

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