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Da werden sich die Spekulanten aber freuen!

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Seit Jänner 1977 - also seit eineinhalb Jahren - hat Wiens Bürgermeister Gratz den Bericht seines Kontrollam- tes zurückgehalten, welcher, wie jetzt verlautet, diverse Mandatare und Beamte belastet, ohne daß er, Gratz, irgendwelche Konsequenzen daraus gezogen hätte. Sollten sich diese Anschuldigungen bewahrheiten, dann wäre der Bürgermeister persönlich belastet.

Dessenungeachtet gefällt sich Leopold Gratz gegenwärtig in der Rolle des Spekulantenschrecks und verlangt bundesgesetzliche Regelungen, die angeblich ein Patentrezept gegen die Spekulation darstellen würden.

Im ersten Moment erscheint alles plausibel und gerechtfertigt. Aber man muß sich diese Vorschläge ein wenig genauer anschauen, um den Pferdefuß zu bemerken.

Da ist beispielsweise der Vorschlag, alle Gemeinden sollten ermächtigt werden, eine Sonderabgabe in Höhe der Wertsteigerungen von Grundstük- ken einzuheben, welche sich aus Flächenwidmungsänderungen ergeben. Spontan möchte man „Bravo” rufen, bei genauerer Überlegung kommen Bedenken:

• Die Spekulanten ziehen ja nicht bloß aus Umwidmungen Profite, sondern überhaupt aus der Tatsache, daß sie aufgrund ihrer Insider-Ihformatio- nen rechtzeitig Grundstücke - darunter auch bereits als Baugrund gewidmete - billig aufgekauft und dann der Gemeinde zu horrenden Preisen verkauft haben.

• Auch jetzt werden die Grundbesitzer bei Umwidmungen bereits massiv zur Kasse gebeten: In diesem Fall steigt ja der Einheitswert und damit die Vermögens- und Grundsteuer. Dies bringt es mit sich, daß allein diese gewinnunabhängigen und auf den Gewinn nicht anrechenbaren Steuern in sehr vielen Fällen höher sind als beispielsweise der Pachtschilling, dem ja derartige Belastungen aufgrund der bestehenden Pächterschutzgesetze nicht aufgeschlagen werden können. Bereits jetzt ist Grundbesitz in sehr vielen Fällen ein Verlustgeschäft und viele Eigentümer schätzen sich glücklich, wenn sie überhaupt einen Käufer finden, bzw. einen, der ein bißchen besser zahlt, als ihre Pächter bei eventuellen Kaufabsichten zahlen würden. Diese Situation hat es ja bereits den Spekulanten so ungemein erleichtert, billig Grundstücke aufzukaufen.

• Würde nunmehr die Sonderabgabe für Wertsteigerungen - und dies ist offenbar vorgesehen - unmittelbar bei Umwidmung kassiert, so sind viele der alteingesessenen Eigentümer zu Notverkäufen gezwungen. Da werden sich aber die Spekulanten freuen! Es werden ihnen noch mehr Gründe noch preisgünstiger zufallen, sie werden den Grundstückmarkt noch besser beherrschen und bei der öffentlichen Hand noch höhere Preise herausschlagen können. Die Sonderabgabe aber zahlen sie mit der linken Hand.

Faktisch verhält es sich aber dermaßen, daß die Gemeinden mit den Altbesitzern - speziell dann, wenn es sich um unrentable Pachtgründe handelt - in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ohnehin durchaus angemessene Preise vereinbaren könnten, und dies ganz ohne Sonderabgaben und Zwangsgesetze. Nicht die langjährigen Besitzer sind im allgemeinen das Problem, sondern der „Zwischenhandel” gewisser Makler, der die Preise der Grundstücke binnen weniger Jahre auf ein Vielfaches hinauftreibt.

Was den Beobachter gegenüber den Gratz-Vorschlägen mißtrauisch macht, ist der Umstand, daß sie die Existenz dieser beiden grundverschiedenen Gruppen von Grundbesitzern nicht nur Kenntnis nehmen, daß sie letzten Endes die Spekulanten ungeschoren lassen, ja deren Profitchancen noch verbessern und in Wirklichkeit deren erste Opfer treffen. Der Kampf gegen die Spekulanten büdet lediglich den Vorwand, um prinzipiell eigentumsfeindliche Gesellschaftspolitik zu betreiben.

Wir brauchen aber keine Gesetze, die das ohnehin bereits verunsicherte wohlerworbene Eigentum weiter verunsichern, sondern solche, die Spekulation und Korruption verhindern, die die Grauzone zwischen Politik und Bürokratie einerseits und Geschäftemachern anderseits zum Verschwinden bringen.

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