Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Christenverfolgung?
Natürlich gibt es bei uns keine Christenverfolgung, und wir haben allen Grund, darüber froh zu sein. Das Christentum scheint sich sogar wohlwollender Duldung durch die zahlreichen Nichtmehrchristen zu erfreuen. Die Zeiten, die Rundfunk und Fernsehen für kirchliche Verkündigung zur Verfügung stellen, sind gar nicht so knapp bemessen; daß sie vorwiegend nur für „Information” genutzt werden, steht auf einem anderen Blatt Das Staatsoberhaupt ist „praktizierender Katholik” und der Bundeskanzler hat ganz und gar nichts gegen die Kirche, solange sie sich nicht in die „Politik” einmischt; er pfeift müitante Atheisten seiner Partei energisch zurück.
Viel gefährlicher als deren Attacken - die ich nicht verharmlosen will -, erscheint mir persönlich das allgemeine Klima in unserem Land. Ich fürchte, man schätzt die christliche Religion vor allem deshalb, weil man Nächstenliebe mit unbegrenzter „Toleranz” verwechselt Was könnte man gegen Mitbürger haben, die durch ihren Glauben verpflichtet sind, ihre Feinde zu lieben, sie also - meint man - gewähren lassen müssen, was immer ihnen einfällt? Schlimmstenfalls wird eine Zeitlang protestiert, Konsequenzen wurden bisher nicht gezogen, sie könnten das Klima verschlechtern. Solche Leute braucht man nicht zu bekämpfen, es genügt wenn man sich bei jeder Gelegenheit über sie lustig macht. In der Karwoche brachte eines der Boulevardblätter mit Höchstauflage „Das Leiden und Sterben des Jesus von Nazareth”, in Fortsetzungen. Tatsächlich: biblische Texte! Un- kommentiert. Wie schön! Zugleich aber enthielt eine dieser Nummern eine Glosse, die anknüpfte an die Bitte des Kuratoriums für Verkehrssicherheit die Pfarrer sollten zu Ostern über das Verhalten im Straßenverkehr predigen.
Sicherlich Anlaß zu’einem humoristischen Kommentar! Wie aber hier katholische Begriffe persifliert wurden, das war reine Verspottung. Beichte und Sühne: „vom Jüngsten Gericht hundert Jahre Fegefeuer”, „in der Hölle in Motoröl gebraten”, die Schutzengel durften natürlich nicht fehlen, und auch ein Wunder des Herrn paßte schön ins Konzept: es hieß über Kana: „Im Interesse der Verkehrssicherheit wird dieses Wunder nun umgekehrt”, und schließlich: „allzuviel kann ja nicht passieren, wenn künftig alle Autos geweiht und alle Lenker vom Papst gesegnet werden.” Natürlich richtet sich der Angriff in erster Linie gegen die Naivität einer Behörde; trotzdem gehen alle diese Witze faktisch auf Kosten der Frommen. Wen stört das aber noch in Österreich? Wirklich niemand?
Wiederum zu Ostern, entrüsteten sich liberale Journalisten über das Raffinement, mit dem die Russen heute den Glauben bekämpfen: „Hollywoodfilme sollen Russen von Kirche femhalten.” Am Karsamstag nämlich durften angeblich solche gezeigt werden, die sonst verboten waren. Perfid, nicht? „Bei uns in Bagdad” bekämpft man die Religion auf subtilere Weise: Ein geisteskranker Triebtäter’mußte nach mehrfachen Sexualverbrechen in eine Sonderanstalt eingewiesen werden. Den Psychiatern, die ihn schon vor Jahren wegen „religiösen Wahns” behandelt hatten, hatte er von seinen abwegigen Trieben nichts gesagt.
Man könnte nun darüber meditieren, ob für Psychiater nicht eigentlich gerade das interessant sein sollte, was der Patient „nicht sagt”. Aber wichtiger war es wohl, herauszustreichen, daß wieder einmal eine „fromme Erziehung” zu solcher Fehlentwicklung geführt habe.
Wurden wirklich die meisten Triebtäter „fromm erzogen”, lernten sie ordinäre Ausdrücke meiden, ist Perversion die normale Folge der Keuschheit? Welche Chance wäre das, denn ein rapider Rückgang der einschlägigen Verbrechen müßte sich doch längst abzeichnen, die deftige Redeweise des „echten Wieners”, in alle Wohnstuben geliefert, ein probates Mittel der Sozialhygiene sein?! - Schön wär’s, nur spielen tun sie’s nicht, wie wir alle wissen!
In Frankreich startete eine große Zeitung ein Preisausschreiben:
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!