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„Dadasoph“ und Kultzeichner

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An Ausstelllungsereigmssen ist Wiens Grünarngergasse zur Zeit besonders reich: Adolf Frohners „Körperrituale“ bei Gras, Walter Pichlers neueste Zeichnungen auf Nummer 12, Raoul Hausmann, Österreichs einziger, übrigens vor etwas mehr als zwei Jahren verstorbener Dadaist, in der Galerie nächst Sankt Stephan; und dazu das traditionelle Kunstgespräch, in dessen Rahmen heuer vor allem deutsche Museumsleiter über Organisation, Ausstellungsbetrieb, Methodik und soziologische Aspekte moderner Sammlungen diskutieren.

Im „Fall Hausmann“ ist die Präsentation freilich mehr als nur eine gute Ausstellung. Denn es geht um die Rehabilitierung eines zu Unrecht Vergessenen, eines Künstlers, der — zum Unterschied von seinen Kollegen Tristan Tzara, Marcel Duchamp,

Francis Picabia, Hans Arp — nie die Werbetrommel in eigener Sache gerührt hat und ohne alle dadaisti- schen Spektakel auch seine letzten Lebensjahre in Limoges verbrachte, in aller Stille, während die Dada- Compagnons von einst sich und ihr Werk unermüdlich propagierten, an Verlage, Museen, Filmdokumenta- tionsunternefhmunigen verkauften. „Sankt Stephan“ belegt nun, wie Hausmann aus seiner selbstgewähl ten Eremitage vor allem zu Österreichs „junger“ Dichtung Kontakt hielt, wie Hausmann mit den Hoffnungsvollen der österreichischen Literaturszene korrespondierte, Ratschläge gab, anregte … Vor allem, um Anregungen zu geben, hatte Hausmann (1886 geboren in Wien) ja zeit seines Lebens genug Erfahrungen gesammelt: als Maler, Plastiker, Dichter, Photograph, als Mitbegründer der Berliner Dada-Bewe- guog, Mitarbeiter der wichtigsten Dada-Zeitschriften — „Dadasoph“ nannten ihn seine Freunde —, Freund Kurt Schwitters, dessen berühmte „Lautsonate“ etwa durch Hausmanns Gedicht „fmsbw“ angeregt wurde.

Hausmanns Rehabilitierung wurde von Arturo Schwarz 1963 mit einer „Personale“ in Mailand begonnen. Ein deutscher Verlag druckte seinen Roman „Hyle“; aber in Wien hat sich keine öfentliche Stelle, kein Institut gefunden, das zu Hausmanns Lebzeiten eine große Ausstellung für interessant befunden hätte. Hausmanns historische Leistung war es, vom Anbeginn des Dadaismus in Berlin für jenen hochpolitischen Dada-Aktionismus gestritten zu haben, der in der Kunst der fünfziger Jahre seine Auferstehung feiern sollte.

Eine neue . Komponente ist im Schaffen de*-.bekannten -Wiener Zeichners Walter Pichler zu entdecken: die Farbe… Das beweist seine Ausstellung in der Galerie Grünangergasse 12. Erstmals sind da Pichlers ungemein diskrete, mit Fingerspitzengefühl für feinste Grauwerte und Aussparungen gestrichelte Blätter mit heftigeren Farbakzen- ten versehen: Da sind ein schweres, sattes Kastanienbraun, ein kräftiges Erdbraun und ein seltsam lichtdurchflutetes Blau eingebrochen, die seine Formen gleichsam überrollt haben. Wo früher vibrierende graue Linienzonen sich ausbreiteten, entsteht nun durch die (übrigens selbstgewonnenen) Farben Schwere, körperliches Gewicht… Auch eine Dramatisierung der Blätter, d. h. ihrer Sujets, macht sich bemerkbar: ganz neue, andere Objekte als bisher werden in präziser Darstellung aufgebaut, kunsthistorische Zitate einge- blendet, die mitunter auch Pichlers Freude am Design spiegeln; so etwa die Reminiszenzen an Constantin Brancusis „Kuß“. Erhalten hat sich freilich Pichlers Beziehung zum Mythischen, zum Privat-sakralen, Kult, haften, das eine Art von Impuls vermitteln will — den Impuls, Kirnst und Darstellung zu überdenken …

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