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Dank an Alfred Weikert

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Nur wenige werden sich an den einstigen Sektionschef des damaligen „Ministeriums für Un- terricht" , Alfred Weikert, erinnern. Immerhin sind es fünfundzwanzig Jahre her, daß er im Oktober 1965 aus seinem Amt entfernt wurde. Wußte man eigentlich damals, was dieser Mann für die österreichische Kultur geleistet hatte?

Gewiß waren die Prozesse, die gegen ihn geführt wurden, nicht ohne Grund. Auf eine bis heute ge- heim gehaltene Anzeige hin, wurde Weikert von der Wirtschaftspolizei im Zusammenhang mit dem Stias- ny-Verlag in Graz wegen „Ge- schenkannahme in Amtssachen" angeklagt und von der Polizei von der Eröffnung einer Ausstellung weg verhaftet. Nach drei dramati- schen Prozessen wurde diese An- klage fallengelassen, jedoch eine Verurteilung wegen „Vergehens gegen das Finanzstraf recht" (Steu- ersache) zu sechs Monaten Kerker ausgesprochen - seine Karriere und Existenz (reduzierte Frühpension) waren ruiniert, und die ähnliche Verurteilung Gerhard Zerlings, des Inhabers des Stiasny-Verlages, endete mit dem Selbstmord des Ehepaars Zerling.

Wer war es, gegen den die Steuer so erbarmungslos vorging? Alfred Weikert war der Gründer der öster- reichischen Kulturinstitute im Aus- land, von ihm stammen die kultu- rellen Initiativen, der Ankauf der Institutshäuser in Paris, London, New York, Warschau, Istanbul und Kairo, die Errichtung des Lese- raums in Agram. Er war der Grün- derdes „Ost-Südost-Instituts" (mit Richard Plaschka) und der „Öster- reichischen Gesellschaft für Lite- ratur" (mit mir). Weikert war der Initiator der ersten drei Staatssti- pendien für Literatur (Gerhard Fritsch, Herbert Zand, Jeannie Ebner), sie sollten fortgesetzt wer- den. Von ihm wurde der „Österrei- chische Staatspreis für europäische Literatur", zuerst mit dem Überti- tel „Lenau-Preis", eingerichtet. Er führte die Gespräche mit dem schon damals schwierigen Herbert von Karajan, als die Staatsoperndirek- tion immer wieder ins Wanken kam. Damals sollte eine „Salzburger Dramaturgie" gegründet werden, wobei ich die Gespräche mit Mar- tin Esslin und anderen Freunden übernahm. Die Festspiele dort soll- ten ein neues Konzept erhalten.

Die Stiasny-Bücherei (von der ich in meiner Bibliothek 156 Bände zähle), die von Viktor Suchy und Alfred Weikert konzipiert wurde, brachte unter anderen die erste Publikation nach „Masse und Macht" von Elias Canetti seit dem Kriegsende, darunter vieles damals Ungedruckte, der Herausgeber war der ganz unbekannte Erich Fried (1962). Franz Theodor Csokor gab 1960 einen Band mit Ausschnitten aus Ferdinand Bruckners Werken heraus, im gleichen Jahr edierte Erwin Chvojka Lyrik von Theodor Kramer, 1959 war ein von Ernst Glaser besorgter Band von Schrif- ten Ernst Petzolds, 1957 eine von Edwin Rollett edierte Ausgabe von Otto Stoessl erschienen. Kurt Klin- ger, Herbert Zand, Gerhard Fritsch, Christine Busta figurierten in die- ser Reihe, die heute im Antiquariat erhebliche Preise erzielt. Sie war mit ihrem Taschenbuchcharakter für die Schulen und fürs Ausland, für jeden aufgeschlossenen Leser interessant und ist es heute noch.

Die von Rudolf Henz und Ger- hard Fritsch geleitete Literaturzeit- schrift „Wort in der Zeit" (Grün- dung 1955), ging auf die Initiative Alfred Weikerts zurück. Das starke Interesse Weikerts für Ost-Mittel- europa führte zu Übersetzungen aus slawischen Sprachen, darunter einige Romane und Essaybände von Miroslav Krlezä. Viele seiner Pläne wurden nach seinem erzwungenen Ausscheiden beiseitegelegt.

Die derzeitige Wandlung der einst kommunistischen Staaten zu De- mokratien war die schon nicht mehr erwartete Erfüllung seiner Voraus- sagen, sie bestätigte seine einstigen Konzepte. Alfred Weikert starb am 5. April, kurz vor seinem 80. Ge- burtstag. Im Telefonbuch steht neben seinem Namen als Berufsbe- zeichnung: Fremdenführer. Meinen Dank an ihn habe ich bei jedem Festtag der Literaturgesellschaft ausgesprochen, und ich werde es weiterhin tun.

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