Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Der Weihnachtsstern im Wurstgeschäft
Es „weihnachtet“ schon sehr in unseren Geschäftsstraßen. O Tannenbaum, wie hell sind deine Lichter, lange, ehe wirklich der Weihnachtsabend da ist. Weihnachtsengerln, Weih-nachtssternderln, Weihnachtsmänner - alles strahlt in tausendfachen Serien farbenfroh. Zwischen Luxusartikeln und Gebrauchsgegenständen, Lebensmitteln und Brillantenschmuck -überall dasselbe.
Ob das alles wirklich den Umsatz so sehr hebt? Nichts gegen einen guten Geschäftsgang. Die Zeit der wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der drohenden Arbeitslosigkeit braucht ihn notwendiger denn je. Wir alle freuen uns über unser Weihnachtsgeld, das uns erlaubt, eigene Wünsche zu erfüllen, Notwendiges und das, was wir so dafür halten, anzuschaffen, und das die Freude des Schenkens und Beschenktwerdens ermöglicht.
Aber was hat das alles eigentlich mit Weihnachten zu tun, diese Orgien aus Licht und Kitsch? Nach der dunklen Stüle des Advent sollte der Stern der Weihnacht erstrahlen - heute ist es umgekehrt. Jetzt, vor dem Fest, kann nichts hell genug sein, und dann erlöschen die Lichter. Dann, wenn die Weihnachtsbäume in den Wohnungen für die Familien angezündet werden, sind alle Menschen vor lauter adventlicher Betriebsamkeit todmüde, ausgeleert, stumm - aber nicht im guten Sinn der „stillen Nacht“, sondern weil sie ausgepumpt sind von den Vorbereitungen, Einkäufen, der Hektik dessen, was wir immer noch Advent nennen.
Ist diese „alle Jahre wieder“ kommende Entdeckung der christlichen Advent- und Weihnachtssymbolik nur mehr eine Äußerlichkeit in einer Zeit, da gewisse Extremisten über die Notwendigkeit des Religionsunterrichtes für die Kinder diskutieren, da man alles Christliche aus dem öffentlichen Leben zurückdrängen will, da manche die Kirche am liebsten wieder in den elfenbeinernen Turm zurücksperren möchten? Das scheint nicht nur, das ist ein Widerspruch.
Ist Christliches nur noch dann zu bejahen, wenn es um die Belebung der Geschäfte geht? Ist das nicht ein Pha-risäertunrunserer Zeit, wenn auch mit umgekehrtem Vorzeichen? Es wäre doch ehrlicher, die Dinge beim Namen zu nennen und voneinander zu trennen, was nicht wirklich zusammengehört. Was hat denn der neue Pelzmantel, die Skiausrüstung, das Farbfernsehgerät mit der Ankunft des Herrn zu tun? Wenn wir an diese glauben, dann sollten wir sie nicht mit dem Erwerb von Konsumartikeln vermischen; wenn uns das Wort „Advent“ nichts mehr von seinem ursprünglichen Sinngehalt, dem Ursprung des „adve-niat“ sagt, was soll dann der Weihnachtsstern im Wurstgeschäft?
Oder ist es doch das Bedürfnis nach Stimmung, nach Gefühlswerten in unserer viel zu nüchternen Welt, das hier zum Durchbruch kommt? Vielleicht auch etwas von einer nur tiefenpsychologisch erklärbaren unbestimmten Sehnsucht, die zwar verschüttet ist unter Oberfläche und Oberflächlichkeit, vom Reaüsmus, der Lebenshärte, dem Kampf ums Dasein, um Lebensstandard und Statussymbole.
Um so weniger sollte man diese Dinge kommerzialisieren und den friedlichen Einkaufsbummler, der preisvergleichend von Auslage zu Auslage geht, damit überfüttern. Bis man Christbäume und dergleichen nicht mehr sehen kann, wenn der Heilige Abend wirklich da ist. Weil eine ursprünglich schöne, im echten Sinn naive Symbolik vollkommen verkitscht wird.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!