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Deutsches Chaos

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Die deutsche Bundesregierung hat wegen wichtiger Koalitionsverhandlungen und wirtschaftlichem Chaos in der ehemaligen DDR den Golfkrieg zuerst gar nicht so richtig mitbekommen. Unsere rot-grüne Opposition war sogar in ihrem unerschütterlich blinden Friedenswillen längere Zeit auf der falschen Seite.

Darum mußte der Welt dienstältester Außenminister, Hans-Dietrich Genscher, wie ein diplomatischer Reparaturdienst rund um die Golfregion mit wedelndem Scheckbuch in der Hand auf geradezu peinliche Weise der politischen Entwicklung hinterherlaufen.

In der ehemaligen DDR geht es inzwischen drunter und drüber. Wenn es sich dort um irgendein anderes Land in der Welt handeln würde, hätten wir herrliche Ratschläge und Rezepte anzubieten - vor allem eines: „Da fehlt eine gründliche deutsche Organisation!”

In unseren FNB -wie die neue Formel für die „fünf neuen Bundesländer” an Stelle von DDR heute heißt-sind die alten kommunistischen Kader überhaupt nicht willens, die Marktwirtschaft voranzubringen. Die überall noch herumsitzenden SED-Unterbonzen freuen sich über jeden Beweis, daß das alte Regimevielleichtnichtgut, aber eben immer noch besser war als das „gabidalisdische Ausbei-derdum” aus der alten BRD.

Die Politiker aus der DDR schreien ununterbrochen nach mehr Geld und stellen utopische Forderungen nach neuen D-Mark-Milliarden. Das Hauptproblem liegt aber meist darin, daß die Länder- und Kommunalverwaltungen in den FNB nicht imstande sind, das in vielerlei staatlichen Förderungstöpfen vorhandene Geld richtig abzuzrufen und gezielt einzusetzen.

Das liegt oft an vergleichsweise läppischen Problemen, die große Wirkungen haben. Bayern hat jetzt zum Beispiel die Zahl der nach Sachsen und Thüringen ausgeliehenen Rechtspfleger mehr als verdoppelt, weil sich herausgestellt hat, daß die in Eigentumsfragen sehr „einnehmende” SED-Bürokratie die Grundbücher ziemlich schlampig und lückenhaft geführt hat.

Das hat in der heutigen Praxis verheerende Folgen. Solange nicht sicher geklärt ist, wem ein Grundstück überhaupt gehört, kann man es weder verkaufen noch beleihen noch bebauen, das heißt, es ist für jeden Investor tabu. Desgleichen kann man weder Straßen noch Eisenbahnen planen, wenn man erst nachforschen muß, wem welche Grundstük-ke überhaupt gehören.

Die berüchtigte deutsche Tüchtigkeit läßt sich in zahllosen ähnlichen Beispielen heute in Ostdeutschland auf die einfache Formel bringen: „Schickt Badehosen, die Verwaltung schwimmt!”

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