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Die Karte im Politpoker

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Eine neue Beschwerde zur Causa Habsburg von Rechtsanwalt Wolfram Bit-schnau beim Verwaltungsgerichtshof gibt einem Buch von Hermann Gries-ser besondere Aktualität.

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Eine neue Beschwerde zur Causa Habsburg von Rechtsanwalt Wolfram Bit-schnau beim Verwaltungsgerichtshof gibt einem Buch von Hermann Gries-ser besondere Aktualität.

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Für Hermann Griesser wiegt der „Raub des Jahrhunderts“, die Beschlagnahme des Habsburgervermögens durch die Republik, das Unrecht am einstigen Kaiserhaus weit schwerer, als Weinskandal und VOEST-Affairen, weil seiner Ansicht nach Politiker aller Lager daran beteiligt waren und auch heute noch keine Bereitschaft zeigen, das Unrecht einzugestehen und eine Wiedergutmachung einzuleiten.

Griesser, Jahrgang 1937, gebürtiger Tiroler, promovierter Germanist und Historiker mit zusätzy lichem Jusstudium, arbeitet seit Jahren an deutschen Zeitungen. Der Leser, der jene Jahre des „Habsburgkannibalismus“ im eigenen Land miterlebt hat, mag manches Urteil mitunter als zu hart empfinden. \

Aber* wer erinnert sich hier noch an jene Vorgänge vor rund 25 Jahren, die wohl nicht weniger an den Grundfesten der österreichischen Demokratie gesägt haben als in unseren Tagen der Streit um Kurt Waldheims Vergangenheit.

Zwei Komplexe des Themas ziehen sich nun durch bald 70 Jahre österreichischer Geschichte: die Beschlagnahme des Habsburgervermögens und die Landesverweisung, als deren Folge der Streit um die Einreise Otto Habs-burgs-in den Sechzigerjahren.

Mit einer allfälligen Rückgabe gewisser Teile des beschlagnahmten Vermögens wollte Karl Renner 1919 Kaiser Karl zur Abdankung bewegen. Als dieser sich weigerte, zog die Regierung auch jene Teile ein, die eindeutig zum Privatvermögen der kaiserlichen Familie gehört hatten.

Griesser weist auf die schäbigen Tricks, die dabei angewandt wurden. Friedrich Funder schrieb in der „Reichspost“, soweit der Staat Anspruch erhebe, Rechtsstaat zu sein, könne „keine Staatsverfassung der Welt einen solchen Gewaltakt in Recht verwandeln“.

Denn inzwischen war die Habsburgerausweisung in die neue Bundesverfassung aufgenommen worden, obwohl sie den dort verankerten Grundrechtsartikeln der Gleichberechtigung aller Staatsbürger widersprach. Und später baute man in internationale Abkommen zur Wahrung der Menschenrechte Ausnahmsklauseln gegen die Habsburger ein, um deren' Ansprüchen entgegenzutreten.

Nach 1945, mehr noch nach 1955 aber wurde die Habsburgerfrage nur mehr zur Spielkarte im Politpoker um die Macht im Staat, denn längst glaubte selbst Bruno Pittermann nicht mehr an die „Gefährlichkeit“ des Kaisersohnes, als dieser die Erlaubnis zur Einreise forderte.

1955 versuchten Julius Raab und Leopold Figl in Moskau, den Habsburgpassus aus dem Staatsvertrag zu eliminieren. Dreißig Jahre später gab Bruno Kreisky Griesser gegenüber zu, daß gar nicht die Sowjets, sondern „österreichische Demokraten“ auf dem Artikel zehn bestanden hatten.

Der Streit um die Rückkehr zog sich von 1958 — von der ersten Loyalitätserklärung Ottos — bis 1966 hin. Als eine zweite Erklärung genau den Formen entsprach, die die SP-Politiker vorher als allein notwendig erklärt hatten, ging die Hetze erst richtig los.

Im Hintergrund standen die Strategien der Sozialisten, mit der Antihabsburg-Propaganda bei den Wahlen 1959, dann wieder 1963 endlich die Mehrheit erringen zu können.

Höhepunkt der Auseinandersetzung waren schließlich die scheinbar einander widersprechenden Bescheide von Verfas-sungs- und Verwaltungsgerichtshof, wobei der Verwaltungsgerichtshof die Verzichtserklärung Otto Habsburgs für ausreichend erklärte.

Damals sprach Justizminister Christian Broda vom „Justizputsch im Richtertalar“, und Bruno Pittermann holte sich die Freiheitlichen, um die Verzichtserklärung im Nationalrat zurückweisen zu können — erster Schritt zur späteren kleinen Koalition.

Erst ÖVP-Innenminister Franz Soronics in der Regierung Klaus stellte im Juni 1966 die verlangten Pässe aus. Als Otto dann im Herbst erstmals nach Österreich einreiste, zeigte sich sehr bald, was von den vergangenen Tiraden zu halten gewesen war.

1982 durfte dann auch die 90j ährige Exkaiserin Zita nach Österreich einreisen. Bruno Kreisky ließ sich wegen seiner Großzügigkeit feiern, ihr keine Verzichtserklärung abverlangt zu haben.

Aber zu dieser Zeit hatte der Verfassungsgerichtshof bereits festgestellt, daß sie gar keine solche vorzulegen brauchte — denn als angeheiratete Kaiserin hätte sie nie Nachfolgerechte besessen. Zita war 63 Jahre lang widerrechtlich von der Heimat ferngehalten worden ...

Bruno Kreisky, inzwischen in Pension, versicherte dem Autor gegenüber: „Wir haben doch das Menschenmögliche getan, mehr geht nicht.“

Griesser anerkennt, daß Kreisky für eine Beruhigung und einen leidlichen Ausgleich mehr getan habe, als alle anderen Sozialisten zusammen. Aber „das Menschenmögliche“? Dies setze voraus, daß er das Unrecht an Habsburg anerkenne. „Eine Bereitschaft, Recht wieder Recht werden zu lassen, zeichnet sich jedoch nirgendwo ab ...“

KONFISZIERT. Österreichs Unrecht am Haus Habsburg. Von Hermann A. Griesser, Amalthea-Verlag, Wien, München, 1986. 236 Seiten, öS 248,-.

Zur Zeit befinden sich auch zwei Österreicherinnen - Irmgard Eh-renberger vom Internationalen Versöhnungsbund und Doris Kurz von „Peace Brigades International“ -im Bagdader Friedenscamp. Von der internationalen Presse, aber auch von den jeweiligen Außenministerien werden die Friedensaktivisten in Bagdad als „Spinner“ abgetan. Was sie am Golf tatsächlich tun können siehe Seite 3.

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