Corona: Als sie lernten, die Maske zu lieben …
Das Kantsche Credo „Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen“ sollte auch in Coronazeiten beherzigt werden, appelliert Martin Haidinger. Über einen neuen Unterwerfungstrieb.
Das Kantsche Credo „Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen“ sollte auch in Coronazeiten beherzigt werden, appelliert Martin Haidinger. Über einen neuen Unterwerfungstrieb.
Na endlich, Österreich atmet auf, alles nicht mehr so schlimm in diesem Sommer 2021. Jetzt ist ja – Delta hin Delta her – alles wieder normal, es werden aufs Neue Hände geschüttelt und Bussis ausgeteilt. Tatsächlich? Nix ist vorbei, und das Wörtchen „wieder“ gilt nur für Erwachsene, nicht für den Nachwuchs. Denn ein heute sechsjähriges Kind hat ein Viertel seines bisherigen Lebens in coronöser Einschränkung verbracht, wurde ermahnt, sich von anderen Menschen fernzuhalten, zu warten bis Anna, Lukas oder Nenad die Schaukel am Spielplatz verlassen haben und sich nicht zu nah neben andere Kinder zu setzen. Und von der Omi darf man sich schon gar nicht herzen lassen, denn das verheißt Krankheit und ist von Übel. Nasenbohren und Gurgeln gehören mittlerweile genauso zum Leben der Schulkinder wie das FFP2- und MNS-Maskenspiel – es ist die Regel, nicht die Ausnahme, eben die Normalität. Ziemlich heftig, nicht? Können Sie sich an Ihre Prägungen im Vorschulalter erinnern?
Ich schon. Da wird so ziemlich alles grundgelegt und eingeübt, was dann im restlichen Leben eine Rolle spielt. In ein einziges Kinderjahr fallen Unmengen an Eindrücken und Entwicklungen. Ich war gefühlte fünf Jahre lang sechs Jahre alt. Was für Erwachsene eine Rückkehr in die Normalität sein mag, wird für die Kleinen eine Phase der Gewöhnung an eine neue Situation werden. Auch wenn der Mund-Nasenschutz „erst“ ab sieben Jahren Pflicht ist, sehen die Kinder nun seit Monaten rund um sich Masken statt Gesichter.
Not-wenig meint Not abwenden
Dabei soll die medizinische Sinnhaftigkeit des „Schnabelschutzes“ (wie es im Entenhausener Jargon der Donaldisten heißt), hier nicht diskutiert und schon gar nicht bestritten werden und die meisten dieser weitreichenden Maßnahmen waren und sind sicher notwendig (gewesen), um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Wer sich in der prekären Covid 19- Zeit dagegen systematisch auflehnte, griff ins Leere und verschwendete seine Energie und unser Steuergeld für Polizeieinsätze, wie auch bei anderen „Widerstands“ -Demonstrationen in wechselnder Gestalt. „Not-wendig“ birgt allerdings schon semantisch in sich, dass Babyelefanten, Maskenball und Distanzierungen eben dazu dien(t)en, Not abzuwenden und darüber hinaus auch dem lieben Volk zu signalisieren, dass halt in dieser Situation kaum etwas normal ist. Man möge sich also, wenngleich murrend, so lange nötigen lassen, bis die Not zu Ende ist. Aber soll sie denn zu Ende gehen? Und was bedeutet überhaupt Not?
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!