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Ehehindernis Uniform

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Die protestantische Kirche Deutschlands kommt nicht zur Ruhe. Nachdem im vergangenen Jahr in der Evangelischen Kirche Nordelbien (die Bistümer Hamburg, Schleswig und Holstein) ein offener Konflikt nur mit Mühe beigelegt werden konnte, brach er in den letzten Wochen wieder aus. Große Teile der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) sind seit einiger Zeit unter starken politischen Einfluß der Friedensbewegung und der Grün-Alternativen geraten. Pastoren mit Talar und der typischen Halskrause waren Anfang der achtziger Jahre keine Seltenheit bei Friedensdemonstrationen, auch jüngst bei den Krawallen um die

Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf konnte man sie sehen.

In der Kirche Nordelbiens kam es im vergangenen Jahr zwischen Kirchenführung und einigen progressiven Pastoren deswegen zum Konflikt, da diese offen und unter dem Einsatz ihrer Amtsautorität gegen den Wehrdienst warben, wobei sie sich einer theologischen Argumentation bedienten. Die Ursachen für diesen Konfliktrahmen sind zweifacher Natur.

Zum ersten gibt es einen tieferen Grund dafür, daß gewisse Kreise des deutschen Protestantismus gegen das legitime Gewaltmonopol und Notwehrrecht des Staates mitWaffen eingestellt sind. Nach dem Selbstverständnis des Luthertums war der Landesherr das Oberhaupt der Kirche, der Summus Episcopus. Diese historische Bindung an den Landesherren beziehungsweise an den Staat führte vor dem Ersten Weltkrieg im damaligen Wilhelminischen Deutschen Reich zu einem Nationalismus, der zu einer militanten Haltung der Evangelischen Kirche zum Katholizismus im Rahmen des Kulturkampfes beitrug („Los-von-Rom-Bewegung“).

Dieser deutschnational geprägte Protestantismus scheiterte unter Hitler: Mit der Gründung der Bekennenden Kirche als geistige und geistliche Opposition zum NS-Staat wurde zwar eine bewundernswürdige Tat vollbracht, aber zugleich wurde auch der Keim für eine undifferenzierte Ablehnung des Staates und seines Ordnungs- und Gewaltmonopols gelegt.

So kam es auch zu einer Ablehnung des Wehrdienstes an sich. Heute wird diese Haltung notgedrungen eine politische, ja sogar parteipolitische. Und damit kommt sie in Konflikt mit der Kirchenordnung, die wie in der katholischen Kirche eine Abstinenz der Amtsträger von Parteipolitik vorsieht.

Die vordergründige zweite Ursache liegt darin; daß die Evangelische Kirche nicht zentralistisch geleitet wird und auch von ihrer historischen Entwicklung einer politischen Partei nicht verbunden ist (es gibt zum Unterschied zum „Politischen Katholizismus“

keinen „Politischen Protestantismus“). Dadurch hat die Evangelische Kirche nicht diese Homogenität, so daß ihre Amtsträger modischen Strömungen viel leichter verfallen.

In Bremen und in Duisburg-Neumühle weigerten sich jüngst Pastoren, Soldaten in Uniform zu trauen. Für den Bremer Pastor ist die Uniform ein „Hoheitszeichen, das in die Kaserne gehört und bei der kirchlichen Trauung sozusagen zwischen das Brautpaar und Gott tritt“. Noch weiter ging die Pastorin in Duisburg, sie hat nicht nur einem Soldaten die Eheschließung in Uniform verwehrt, sie würde nach ihrer Aussage solches auch bei Polizisten, Feuerwehrleuten usw. tun.

Der evangelische Militärbischof Heinz-Georg Binder wirft den Uniformgegnern im Pasto-ren-Talar (der leitet sich von der Amtstracht der Professoren ab) vor, daß es ihnen um die Demonstration ihrer persönlichen Uberzeugung gehe und diese Menschen ausgrenze. Für den neuen EKD-Ratsvorsitzenden, den Berliner Bischof Martin Kruse, ist dieser Streit ein „fast unsinniger Konflikt“. Im „Berliner Sonntagsblatt“ meinte er: „Wenn's dann einer unbedingt will, in Gottes Namen, soll er seine Uniform bei der Trauung tragen.“

Dieser Ausspruch Kruses offenbart aber noch deutlicher die Zerrissenheit im deutschen Protestantismus, denn wie hat er „in Gottes Namen“ gemeint? Herablassend, wie umgangsprachlich üblich, oder mit vollstem Ernst? Mit dem Uniformzwist wird sich die Kirchenkonferenz der EKD demnächst beschäftigen, so daß für weiteren Konfliktstoff gesorgt ist.

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