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Digital In Arbeit

Ein datenschutzrechtlicher Graubereich

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Das neue Arbeitsinspektionsge-setz könnte eine datenschutzrechtliche Lücke in den Betrieben schließen. Tatsächlich hat der bisherige Entwurf schlicht und einfach darauf vergessen.

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Das neue Arbeitsinspektionsge-setz könnte eine datenschutzrechtliche Lücke in den Betrieben schließen. Tatsächlich hat der bisherige Entwurf schlicht und einfach darauf vergessen.

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In Betrieben und Arbeitsstätten kommt es nicht nur zu den klassischen Problemen (wie Lärmbelästigung. Verschmutzung, giftige Chemikalien), mit denen die Arbeitsinspektion konfrontiert ist. Durch den vermehrten Einsatz neuer Technologien entstehen neue Probleme: Es kommt oft zur Überwachung von Arbeitnehmern und zur Verletzung ihrer Privatsphäre. Als Beispiel seien der Einsatz von Personalinformationssystemen, von digitalisierten Telefon-Nebenstellenanlagen und von Zutrittskontrollen mittels Chipkarte genannt.

Das alte Arbeitsinspektionsgesetz 1974 stammt aus einer Zeit, in der Datenverarbeitung wenigen Groß-EDV-Betreibem, meist öffentlichen Stellen vorbehalten blieb. Datenschutz war damals ein völlig unbekanntes Schlagwort.

Beim neuen Arbeitsinspektionsgesetz ergibt sich die Chance, auch auf die technologischen Neuerungen in den Betrieben zu reagieren.

Das Arbeitsverfassungsgesetz sieht Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer vor, wenn technische Kontrollmaßnahmen eingerichtet werden, die „die Menschenwürde berühren". Oft lassen sich aber wohlmeinende Bestimmungen nicht in die Praxis umsetzen.daeinzelne Datenerfassungen und Kontrollmaßnahmen ohne Wissen und Mitwirkung der Belegschaft durchgeführt werden können. Auch bei der Überwachung der Einhaltung von Betriebsvereinbarungen und bei der sachgerechten Beurtei lung, inwieweit ein EDV-System zur Kontrolle geeignet ist, sind viele Betriebsräte überfordert.

Was nützt es, eine schöne Betriebsvereinbarung zu besitzen, die jedoch nicht überprüfbar ist? Bisher scheiterte die wirksame Geltendmachung der Mitbestimmung an mangelnden Zugangs- und Kontrollmöglichkeiten durch ein objektives Aufsichtsorgan. Genau diese Funktion könnte das Arbeitsinspektorat erfüllen.

Damit wäre durch das neue Arbeitsinspektionsgesetz ein daten-schutzrechtlicherGraubereichelegant saniert. Immerhin geht es unter anderem um die Überprüfung, inwieweit Telefondatenerfassungen zu Kontrollzwecken eingesetzt werden, welche Auswertungen in den Personalinformationssystemen erfolgen und welche Daten tatsächlich über Beschäftigte gesammelt werden. Liegt ein EDV-Einsatz vor, der zur Kon trolle der Arbeitnehmer geeignet ist. dann wären dies durch den Betriebsrat zustimmungspflichtige Maßnahmen, beziehungsweise ein Betrieb derartiger EDV-Systeme ohne Zustimmung wäre illegal.

Offensichtlich ist Computereinsatz und Datenschutz jedoch im Sozialministerium noch immer eine derartig fremde Materie, so daß auf diesen Aspekt des Arbeitnehmerschutzes völlig vergessen wurde.

Der Paragraph 3 des Entwurfs umschreibt die Aufgaben:„( 1 )Die Arbeitsinspektion ist die zur Wahrnehmung und Durchsetzung des gesetzlichen Schutzes der Arbeitnehmer/innen berufene Behörde. Sie hat durch ihre Tätigkeit dazu beizutragen, daß durch geeignete Maßnahmen ein möglichst wirksamer Arbeitnehmerschutz erreicht wird."

Im gleichen Absatz wird eine Reihe schutzwürdiger Arbeitnehmerberei- che genannt: „den Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Sittlichkeit, die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen, die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen, vor allem auch während der Schwangerschaft und nach der Entbindung, die Beschäftigung besonders schutzbedürftiger Arbeitnehmer/innen (Behinderter), die Arbeitszeit, die Ruhepause und die Ruhezeit, die Arbeitsruhe, den Urlaub und die Heimarbeit."

An dieser Stelle könnte dem innerbetrieblichen Datenschutzgedanken zum Durchbruch verholfen werden Mit Punkt 7 „Datenschutz" wäre dann eine weitere Aufgabe der Arbeitsinspektion umschrieben. Die Ausgestaltung dieser Aufgabe könnte dann durch das Arbeitsinspektorat im Einklang mit dem Datenschutzgesetz und den Mitbestimmungsrechten des Arbeitsverfassungsgesetzes erfolgen.

Versteckte Informationen

Immer mehr und brisante Unterlagen eines Unternehmens sind nicht mehr in konventionellen Ablagen, Listen und „Büchern" zu finden, sondern in EDV-Systemen. Oft sind die wesentlichen Informationen Uber mehrere EDV-Dienstleister versteckt nur schwer zugänglich. Um ihren konkreten Kontrollbefugnissen tatsächlich nachkommen zu können, sollte der Arbeitsinspektion die Befugnis übertragen werden, im Rahmen der Betriebsprüfungen auch an der betrieblichen EDV-Anlage und mittels EDV Untersuchungen durchführen zu können.

Der Paragraph 8 des Entwurfes verlangt zwar, daß „den Arbeitsin-spektionsorganen alle Unterlagen zur Einsicht vorzulegen (sind), die mit dem Arbeitnehmerschutz im Zusammenhang stehen. Dies gilt insbesondere für Unterlagen über die Betriebsräumlichkeiten, Betriebseinrich tungen, sonstigen mechanischen Einrichtungen, Betriebsmittel, Arbeitsvorgänge, Arbeitsverfahren und Arbeitsstoffe samt den dazugehörigen Plänen, Zeichnungen, Beschreibungen und Betriebsvorschriften. Dies gilt auch für Kollektivverträge, Betriebsvereinbarungen, Arbeitsverträge, Lehrverträge, Lohn-, Gehalts- und Urlaubslisten sowie insbesondere auch für alle Verzeichnisse, Vormerke oder Aufstellungen, die aufgrund von Arbeitnehmerschutzvorschriften oder von Regelungen für die Heimarbeit zu führen sind."

Diese Formulierung ist jedoch angesichts der Automationswirklichkeit unzureichend. Notwendig wäre die ausdrückliche Feststellung, daß die automationsunterstützt verarbeiteten Daten „zur Einsicht" vorzulegen und in der EDV-Anlage selbst zugänglich zu machen sind. Nur die Kenntnis der Verarbeitungsvorgänge erlaubt das Aufspüren widerrechtlicher Datenverwertungen. Aus vorgelegten Computerlisten lassen sich illegale Kontroli-maßnahmen nicht erkennen.

Schwierige Umsetzung

Selbstverständlich ist die praktische Umsetzung der genannten Kontrollbefugnisse schwierig. Da die meisten Arbeitsinspektionsorgane nicht über spezifisch datenschutzrechtliche Kenntnisse verfügen, wäre es daher sinnvoll, an jedem Arbeitsinspektorat einen Spezialisten zur Überwachung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen einzusetzen.

Mit disem Instrumentarium bliebe „Datenschutz" nicht nur ein Lippenbekenntnis, sondern würde zu durchsetzbarem Recht werden. Eine für die Betriebe längst überfällige Maßnahme, bedenkt man, daß es seit zwölf Jahren ein Datenschutzgesetz gibt und mittlerweile rund 60.000 Unternehmen EDV einsetzen.

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