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Fernsehverantwortung

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Medium: Zwischen dem Einzelnen, dessen echter Erfahrungsumkreis stets sehr eng ist, und die unübersehbaren, schicksalshaften Vorgänge, die sich aus den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Superstrukturen heraus entwickeln, tritt notwendig eine Zwischeninstanz - die Erfahrung zweiter Hand”.

Mit zunehmender Entfremdung vom Alltag steigt die Bedeutung der Massenmedien als Lebensmittel.

Wichtig ist dabei nicht nur eine „Art von Brilieneffekt” (Arnold Gehlen), die Herstellung einer sekundären Nähe - das Entfernte und in Wirklichkeit sehr Komplizierte wird herangeholt, es erscheint als griffig und leicht übersehbar. In die unübersehbar verwickelte und in Bewegung geratene Wirklichkeit legt sich so ein Schnitt künstlicher Vereinfachung und Anschaulichkeit und entlastet uns.

Ebenso wichtig ist „Versorgung mit Auslastung” (Walter Hildebrandt): Immer mehr Bürger können iftre zeitlichen Freiräume nicht in eigener Regie produktiv und kreativ nützen und so verstärkt sich das Bedürfnis, sich mit Auslastung versorgen zu lassen.

Wir behelfen uns im langweiligen Alltag immer mehr mit Imitationen realer Herausforderungen und existentieller Inanspruchnahmen und laden uns mit künstlicher Spannung auf. Beide Befunde führen geradewegs zu einer Kulturkritik, die von der „Enteignung unseres Denkens” in einer „maßlos informierten” Gesellschaft spricht.

Die „Humanisierung der Informationswelt” (Karl Steinbuch) ist freilich ein zu schönes Anliegen, um unrealistisch moralisiert zu werden.

Das Medium als Botschaft (message) und als Unterhaltung (massage) muß als soziale Realität an genommen werden. Die Medien haben uns alle verändert - Herbert Marshal McLuhan würde sagen: „ausgeweitet”. Andere sagen „vereinnahmt”: Man sei nicht mehr gebildet, sondern nur noch, bestensfalls, im Bilde.

Bei McLuhan finden wir das Zitat der Meinungsmacher: Kunst kann alles mögliche sein, solange du damit durchkommst. Die Beliebigkeit der Information ergibt die Bedrohung. Die Verantwortungslosigkeit den Inhalten gegenüber ist das moralische Problem der Massenmedien.

Gerade weil unsere Abhängigkeit vom Bildschirm letztlich unbehebbar ist, muß der Begriff der informationeilen Verschmutzung zur Diskussion stehen. Man kann nicht Liberalismus der Produzenten predigen und sich damit vom Konsumentenschutz in der Me- dienwelt lossagen.

Das gilt vor allem dort und dann, wenn uns das TV „live” mit Auslastung versorgt. Was für die Ubertragungsteilnehmer mangels an Reflexion nur ein „Club” ist, wird für den meinungsbedürftigen Empfänger zum seelischen Schaden und zur sozialen Störung. Wenn man das Medium versteht - was von Medienarbeitem zu verlangen ist-kann man nicht mehr bagatellisieren, was sich gerade in heimischen Produktionen alles hirnlos, geschmacklos, bedenkenlos live abspielt.

Weil die Technik eine echte Rückkoppelung noch nicht ermöglicht, weil also auch das elektronische Medium noch nicht „kommunikativ” ist, muß die gesellschaftspolitische Forderung nach verantwortlicher Selektion der Meinungen und Unterhaltungsbeiträge aktuell bleiben.

Niemand will Zensur. Aber es gibt auch keinen Rechtsanspruch darauf, daß alles und jeder toleriert und akzeptiert wird.

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