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Gegen alle Theorien

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Was nützt die beste Theorie, wenn sie - wie im Fall General Motors Werk Aspern - nicht angewendet wird? Kaum eine Zielvorstellung der Strukturpolitik wurde realisiert.

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Was nützt die beste Theorie, wenn sie - wie im Fall General Motors Werk Aspern - nicht angewendet wird? Kaum eine Zielvorstellung der Strukturpolitik wurde realisiert.

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Zielstrebig und flott wurde das heftig umstrittene General Motors Werk in Wien-Aspern vorangetrieben. Derzeit beschäftigt es bereits rund 1300 Mitarbeiter und ab Jahresende soll es seine volle Kapazität erreichen: 3000 Mitarbeiter produzieren ab dann jährlich etwa 270.000 Motoren und 385.000 Getriebe für Personenkraftwagen.

Die gesamte Erzeugung ist für den Export nach Spanien bestimmt, wo in einem weiteren Zweigwerk von General Motors (GM) jährlich 350.000 PKW zusammengebaut werden sollen.

Dieses riesige Industrieprojekt hat die österreichische Bundesregierung und die Stadt Wien mit rund 3,28 Milliarden Schilling subventioniert (bekannte Subvention). Ob dieser Aufwand den allgemeinen Vorstellungen erfolgreicher Industriepolitik entspricht, soll im folgenden untersucht werden.

Kurt Bayer vom Wirtschaftsforschungsinstitut beschäftigte sich in einer ausführlichen Studie über das GM-Projekt mit dieser Frage. Er gibt darin auch die vom Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen und in einem Memorandum der Kontrollbank (an dem auch die Regierung mitgewirkt hat) zusammengefaßten Kriterien sinnvoller Industrieförderung wieder:

# Investitionen sollten zur Erzeugung neuer Produkte führen, die auf inländische Forschung und Entwicklung zurückgehen: Weder plant GM in Osterreich zu forschen, noch hat es bei der Einrichtung des Werkes auf österreichische Forschung zurückgegriffen. Die Motoren, die Getriebe, das ganze Werk wurden bis ins letzte Detail im Ausland geplant und entwickelt. Die Produkte sind durchaus keine zukunftsweisenden Spezialerzeugnisse, sondern etwas überdurchschnittliche Standardtechnologie.

# Investitionen sollten Österreichs Eigenständigkeit fördern, womöglich österreichischen Unternehmen zugute kommen: Daß letztere Forderung unerfüllt blieb, ist offenkundig. Fraglich ist aber auch, ob die Einbeziehung Österreichs in die autonome Konzernpolitik des größten multinationalen Unernehmens nicht neue Abhängigkeiten schafft.

# InvestitionensolltenaufBereiche mit langfristigen Expansionsaussichten ausgerichtet werden: Die Automobilindustrie kämpft weltweit mit Absatzschwierigkeiten. In Europa und Nordamerika ist der Markt weitgehend gesättigt (ein PKW auf drei Einwohner in Westeuropa). Besonders dramatisch ist die Situation in den USA: 1980 verloren 280.000 Mitarbeiter der Automobilindustrie ihren Arbeitsplatz, Chrysler überlebt nur mit Regierungshilfe. GM

Von CHRISTOF GASPARI macht 1980 Verluste von ungefähr 12 Milliarden Schilling, 1981 einen minimalen (eher kosmetischen) Gewinn und im ersten Quartal 1982 wieder mehr als vier Milliarden Schilling Verlust. Ob das Zeichen für Zukunftsträchtigkeit sind?

# Gefördert werden sollten Produktionsbereiche mit hoher Wertschöpfung: Zumindest bezüglich der Gewinne ist hier ein Fragezeichen anzubringen. Da ein beachtlicher Teil der Vorlieferungen aus Konzernwerken von GM kommen und die gesamte Produktion in ein ausländisches GM-Werk fließt, bleibt es der internen Preispolitik des Konzerns überlassen, wo die Gewinne erzielt werden. Bei unseren Steuersätzen wird es kaum Österreich sein.

• Investitionen sollten Klein-und Mittelbetriebe fördern: Hier erübrigt sich jeder Kommentar.

# Investitionen sollten sich stark positiv auf die Leistungsbilanz auswirken: Auf lange Sicht werden die Exporte in der Höhe von rund fünf Milliarden Schilling die ausländischen Zulieferungen um ein Vielfaches übertreffen und damit die Handelsbilanz entlasten. Kurzfristig trat jedoch durch den Import der Ausrüstungen des Werkes um rund fünf Milliarden ein negativer Außenhandelseffekt ein.

• Investitionen sollten regionale Disparitäten ausgleichen: Auch davon kann keine Rede sein. Wirtschaftliche Sorgenkinder sind die Randregionen Niederösterreichs, die Steiermark und Kärnten. In Wien herrscht sogar ein Facharbeitermangel. Daher inseriert GM etwa in der „Murtaler Zeitung”, beklagt die „Kleine Zeitung”, daß von 1000 Beschäftigten nur 33 Steirer sind. So kommen von den derzeitigen Mitarbeitern 71 Prozent aus Wien, nicht wenige von einem kürzlich geschlossenen VEW-Werk. Das sieht eher nach Umschichtung der Arbeit in Wien aus. Von den rund 115.000 Arbeitslosen Österreichs fanden bisher nur etwa 170 bei GM einen Arbeitsplatz.

In der Theorie mag Genn schon recht haben. Nur, wie wettbewerbsfähig wäre denn sein Unternehmen ohne die österreichischen Geschenke?

Vieles mutet eigenartig bei diesem Projekt an. Am meisten frappiert aber der Widerspruch, der zwischen den Zielvorstellungen einer erfolgversprechenden Iodu-strief örderung und den konkreten Gegebenheiten im Falle GM besteht.

GENERAL MOTORS IN ASPERN: GRUNDSTEIN EINER NEUEN OSTERREICHISCHEN INDUSTRIEPOLITIK? Von Kurt Bayer, Beitrag aus dem umfassenden und interessanten Werk: HANDBUCH DER OSTERREICHISCHEN WIRTSCHAFTSPOLITIK. Von Hanns Abele, Ewald Nowotny. Stefan Schleicher, Georg Winckler (Hrsg.). Manz-Verlag, Wien 1982, | 480 Seiten, öS 370,-.

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