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Sparen mit geringem Effekt

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Hatte das Weiße Haus noch vor nicht allzu langer Zeit die Rezession für beendet erklärt, so stehen trotzdem die Zeichen auf Sturm. Obwohl das US-Bruttosozialprodukt im dritten Quartal um 2.4 Prozent gewachsen war, verheißt der Jahresbeginn 1992 wenig Gutes.

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Hatte das Weiße Haus noch vor nicht allzu langer Zeit die Rezession für beendet erklärt, so stehen trotzdem die Zeichen auf Sturm. Obwohl das US-Bruttosozialprodukt im dritten Quartal um 2.4 Prozent gewachsen war, verheißt der Jahresbeginn 1992 wenig Gutes.

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Es handelt sich um eine Vertrauenskrise in die Ökonomie. Die politische Euphorie aus den Zeiten des Golfkrieges hat Depressionen Platz gemacht. Die amerikanische Wirtschaft verfällt offensichtlich in ein Koma, wie es „Business Week" geradezu giftig formulierte.

Rezession hat Entlassungen zur Folge: Seit August des Vorjahres gibt es in der Industrie-Produktion rund 20.000 Arbeitsplätze gegenüber April 1991 weniger, der April war jener Monat, in dem nach Ansicht des Weißen Hauses und einiger Wirtschaftsexperten die Rezession zum Halten gekommen war.

Arbeitslosigkeit steigt in den USA so wie die Inflation. Selbst die offiziellen November-Statistiken sind erschreckend, auch wenn die Inflation mit rund vier Prozent den niedrigsten Stand seit zwei Jahrzehnten ausweist. ;

Unternehmen beginnen zu sparen statt zu expandieren. Michael Dur-ham, bei American Airlines/AMR Corp. für Finanzen verantwortlich, urteilt: „Wenn die US-Ökonomie nicht regelrecht zum Stillstand gelangt ist, dann weist sie nur ein äußerst schwaches Wachstum auf." Er sagt eine „längere Periode" des „geringen oder Null-Wachstums" voraus.

Stark rückläufig ist der Hausbau,

die Automobilverkäufe lassen zu wünschen übrig. Weder Verbraucher noch Industrie sind geneigt, Kredite aufzunehmen.

Gegen Sparen hat mittlerweile auch das Pentagon nichts einzuwenden. Deshalb wird in der bisher mächtigen Rüstungsindustrie mit drastischen Einschränkungen gerechnet. Im Kongreß gibt es Überlegungen, den Verteidigungshaushalt um wenigstens zehn Prozent zu verringern.

Etliche Konzerne - wie Northrop, Boeing, General Dynamics, Lockheed, McDonnel Douglas und United Technologies - wären betroffen und solche Programme wie das Seawolf-Unterseeboot, die Trident-2-Rakete,

der Comanche-Hubschrauber sowie Bomber- und Jäger-Vorhaben. General Dynamics Electric Boat Division, wo Atom-Unterseeboote gebaut werden, hat bereits 1.000 Spezialisten entlassen; und im Gespräche ist eine Halbierung der Beschäftigtenzahl. Das wäre gleichbedeutend mit der Entlassung von 17.000 Arbeitern, verteilt, so der Plan, über vier Jahre.

Bei Lycoming, wo Motoren für Panzer und Hubschrauber gebaut werden, stehen ebenfalls Entlassungen bevor; man will zwischen 16 und 20 Prozent der Arbeitsplätze abbauen. Ford hat zwei seiner Automobilwerke auf unbestimmte Dauer völlig ge-

schlossen, weil vor allem die großen Car Rentals weniger Neuwagen abnehmen.

Entlassungen häuften sich in der Vorweihnachtszeit 1991 auch im Dienstleistungssektor, ausgenommen noch Banken und Einzelhandel. Du Pont hat keine Entlassungen vorgenommen, plant aber jetzt, 15.000 Arbeitsplätze, über einen geheimen Zeitraum verteilt, zu streichen. Das sind immerhin elf Prozent aller Arbeitsplätze.

Rund 3.000 Blaue Briefe will Hewlett-Packard, auch eine von der Rezession weniger betroffene Firma versenden - womit drei Prozent der Arbeitsplätze abgeschafft werden sollen.

Darauf haben viele Experten besonders verstört reagiert: In nicht wenigen Fällen haben drastische Sparmaßnahmen keineswegs einen positiven Effekt gehabt. Das betrifft beispielsweise Chrysler.

Ein Minus von 82 Millionen trotz Dauer-Streamlinings für Chrysler im dritten Quartal war noch ein „Gut" verglichen mit General Motors (1,1 Milliarden Dollar minus) und Ford (minus 574 Millionen Dollar).

Prognosen besagen, daß General Motors und Ford auch im vierten Quartal mit roten Zahlen enden, während Chrysler dann vielleicht endlich seiner enormen Sparmaßnahmen wegen Licht am Ende des Tunnels sieht.

Pro Jahr konnte Chrysler in den vergangenen 24 Monaten die Ausgaben um drei Milliarden Dollar senken. Die politischen Implikationen sind klar: Wenn es nicht bald und nachhaltig und für alle spürbar zü einer Besserung kommt, müssen die Republikaner vor den Präsidentenwahlen im November dieses Jahres wirklich zittern.

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