Empathie: Göttliche Geisteszustände

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Wie wird die Post-Corona-Welt aussehen – wird sie nachhaltiger, gerechter, versöhnlicher? Um solche Ziele anzustreben, bedarf es nicht nur äußerer Maßnahmen bzw. struktureller Reformen, sondern auch einer inneren Wandlung. Genau das hatte Joachim Bauer im Sinn, als er in seinem jüngsten Buch „Fühlen, was die Welt fühlt“ (Blessing, 2020) die, so der Untertitel, „Bedeutung der Empathie für das Überleben von Menschheit und Natur“ hervorhob. „Unter allen Potenzialen, die dem Menschen von der Evolution mitgegeben wurden, ist die Empathie der tiefste Erfahrungs- und der kraftvollste Handlungsraum“, betont der renommierte Arzt und Neurowissenschafter. Empathische Fähigkeiten beziehen sich hier nicht nur auf das menschliche Miteinander, sondern auch auf die Beziehung zu Tieren und Pflanzen, zur Natur als Ganzes. Dieses verschüttete Potenzial gilt es wiederzuentdecken, so Bauer, um die aktuell gefährliche ökologische Situation zu überwinden.

Metta & Co: Empathie im Buddhismus

Auch in einer uralten Weisheitslehre finden sich Anhaltspunkte, wie sich Empathie verwirklichen lässt. In der meditativen Tradition des Buddhismus ist sie so wichtig, dass sie sogar mit dem altindischen Begriff für Gott („Brahma“) attribuiert wird. Demnach beruht Empathie auf vier Geistesqualitäten, die als "göttliche Verweilungen" („Brahma-vihara“) bezeichnet werden: Das Fundament dafür ist „Metta“, meist als „liebende Güte“ übersetzt, besser jedoch als Wohlwollen zu verstehen.

Um die Coronakrise zu verdauen und die ökologischen Gefahren zu überwinden, gilt es, das verschüttete Potenzial der Empathie wiederzuentdecken.

Tatsächlich ist Wohlwollen ein Grundnahrungsmittel im menschlichen Zusammensein – so unverzichtbar, dass es oft gar nicht hinterfragt wird. Was aber passieren kann, wenn Wohlwollen fehlt, lässt sich an den meist tragischen Lebensläufen von Kindern nachvollziehen, denen dieses geistige Nahrungsmittel länger vorenthalten wird.

Weitere empathische Qualitäten sind Mitfreude und Mitgefühl: Sie kennzeichnen das emotionale Mitschwingen in schönen sowie schmerzhaften Erfahrungen. Die vierte Qualität ist Gleichmut, was nicht mit Gleichgültigkeit verwechselt werden darf. Denn im Gegensatz zur indifferenten Haltung eines „eh egal“ zielt Gleichmut darauf ab, allen Aspekten des Daseins den gleichen Mut entgegenzubringen. Das ist angesichts von Leid und Schmerz oft schwierig. Aber genau diese Unerschütterlichkeit stärkt die weichen, mitfühlenden Qualitäten der Empathie, und das ist gerade in Krisenzeiten gefragt.

Die gute Nachricht: Die „göttlichen Verweilungen“ lassen sich üben wie eine Fremdsprache oder das Klavierspielen. Nicht mit der Brechstange, sondern mit der sanften Absicht, ihnen treu zu bleiben.

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