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Im Fahrwasser von Berlin und Bremen.

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Mit einem Sternmarsch, in dem fast 20.000 aus ganz Bayern zusammengeströmte Studenten in den Straßen Münchens ihre Ablehnung des bayrischen Hochschulgesetzes zum Ausdruck brachten, hat eine mehrmonatige Kampagne mit zahlreichen Versammlungen und Streiks ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Urabstimmungen an der Regensburger Universität sowie an der Technischen Universität in München, bei denen sich jeweils mehr als die Hälfte der Immatrikulierten beteiligt hatte, dokumentierten schon früher mit je 95,5 und 97 Prozent ablehnender Stimmen den klaffenden Gegensatz zwischen dem wohl bald Gesetzeskraft erlangenden Entwurf aus dem Kultusministerium am Münchner Salvatorplatz und den davon betroffenen rund 75.000 Studenten in München, Augsburg, Regensburg, Passau, Bayreuth, Erlangen, Bamberg und Würzburg. Von den Roten Zellen bis hin zum Ring Christlich-Deutscher Studenten

sehen sie in der Vorlage ein „Ermächtigungsgesetz“, das es dem Ministerium gestattet, seinen je nach Couleur gearteten politischen Einfluß in den wichtigsten Belangen der Hochschule geltend zu machen. Am schärfsten attackiert wird ein geplantes Ordnungsrecht, demzufolge ein Studienausschluß bis zu zwei Jahren möglich wird.

Aber auch die Hochschulen selbst zeigen keine besondere Genugtuung darüber, daß sie nun erstmals nach dem Krieg und als Frucht jahrelanger Verhandlungen einen — wie Kultusminister Maier es formulierte — „Geleitschutz der Reform“ erhalten. Die Universität Regensburg hat das Gesetz pauschal abgelehnt; die übrigen sprechen von mehr oder weniger großen Vorbehalten.

Es wäre aber sicherlich falsch, aus diesem Echo pauschal auf eine schlechte Qualität dieses ersten bayrischen Hochschulgesetzes zu schließen. Allein schon die Ereignisse der vergangenen Zeit machen deutlich, daß manche Hauptpunkte der Kritik — wie etwa der vermehrte staatliche Einfluß, das Ordnungsrecht sowie die Aufhebung der „verfaßten“ Studentenschaft — auch in einem anderen Licht gesehen werden können. So hat beispielsweise die Erfahrung gezeigt, daß die verschiedenen Gremien der Universität bei allem zugestandenen Experimentierspielraum von sich aus nicht imstande sind, sich auf ein organisatorisches Reformkonzept zu einigen. Die immanenten traditions- und persönlichkeitsgebundenen Widerstände sind zu groß, als daß sie ohne äußeren staatlichen Eingriff überwunden werden könnten. Die Notwendigkeit eines geregelten Ordnungsrechts wurde gerade in den letzten Tagen wieder deutlich, als eine Studentengruppe mit Brecheisen die Türen zu einer Fakultätssitzung zertrümmerte und dort — im Beisein des Kultusministers — mit den Professoren handgreiflich wurde, um die an sich durchaus diskutable Anwesenheit ihrer Vertreter bei der Sitzung zu erzwingen.

Als die Polizei ankam, waren die Täter längst entschwunden und die jetzt einsetzenden langwierigen Ermittlungen werden es mit Sicherheit nicht verhindern, daß bei ähnlichen Anlässen und mit ähnlichen Methoden die gleichen Leute wieder tätig werden. Bei der Studentenschaft wiederholt sich nun seit Jahren in jedem Semester derselbe Tatbestand: im AStA (der österreichischen Hochschülerschaft vergleichbar) dominiert eine Handvoll linker Extremisten, meistens Mitglieder der marxistisch-leninistischen Roten Zellen, welche die durch Zwangsbeiträge wohlgefüllten Kassen weitgehend für eigene Zwecke verwenden und jedes aufkommende hochschul- oder weltpolitische Problem in ihr Minoritätendogma pressen.

Auch andere Punkte des neuen Hochschulgesetzes spiegeln Erfahrungen wider, wie sie im breiten Spektrum bayrischer Hochschulen von der Reformuniversität Regensburg über die unter staatlicher Kuratel stehende Aufbauuniversität Augsburg bis hin zum Mammutlehrbetrieb in München mit heute 32.000 eingeschriebenen Studenten gemacht werden konnten:

• Als ausschlaggebend für die wichtigsten Entscheidungsgremien gilt der Grundsatz der klaren Mehrheiten. Die nach dem Maß der „Sachkompetenz“ aufgeteilte Verantwortung erhalten vorrangig die Professoren übertragen, zu denen allerdings nicht nur die Ordinarien, sondern auch der überwiegende Teil des „akademischen Mittelbaus“ hinzugezählt wird.

• In den zwölfköpfigen Fachbereichsrat entsenden sie nach dem Gesetzesvorschlag sieben Vertreter; dazu kommen ein Assistenzprofessor, eine sonstige Lehrkraft, zwei Studenten und ein Vertreter des nichtwissenschaftlichen Personals.

• In der „Versammlung“, die den Präsidenten wählt und die Satzung beschließt, sollen diese Gruppen im Verhältnis 6:1:1:2:1 repräsentiert sein.

Dieses komimende Bundesgesetz bildet anderseits auch den stärksten Trumpf der bayrischen SPD, die schon jetzt darauf hinweist, daß manche Punkte des Maier-Gesetzes in der vorliegenden Form gar nicht wirksam werden könnten, „weil die sozial-liberale Bundesregierung besonders rückschrittliche Bestimmungen durch ihr Hochschulrahmengesetz unmöglich machen wird“. In einer „Alternative zum konservativen Gesetzentwurf“ haben die Sozialdemokraten ihre eigenen Vorstellungen entwickelt, die unter anderem die integrierte Gesamthochschule, die Drittelparität in den wichtigsten Entscheidungsgremien und eine Studentenschaft mit ausdrücklich zugebilligtem politischem Mandat vorsehen.

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