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Italienische Maler

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Die „Kollektivausstellung zeitgenössischer italienischer Maler“ in der Wiener Akademie der bildenden Künste am Schillerplatz geht von einem bestimmten Konzept aus, das einige Kritiker, die in ihr nur eine Ansammlung von meist drittklassigen Bildern sehen wollen, leider übersehen nagen. Es wurde anscheinend schon bei zwei vorangegangenen Ausstellungen in Spanien — in Saragossa und Madrid — angewendet und ist — obzwar anfechtbar — doch etwas, mit dem man sich auseinandersetzen muß. Allerdings trägt die Hängung der Ausstellung keineswegs dazu bei, seine Grundgedanken nachzuvollzie-hen, da sie von ästhetischen und nicht von didaktischen Erwägungen auszugehen scheint.

Das Konzept versucht — wie Vincenzo Gubitosi im italienischen Vorwort des Kataloges schreibt — die Gesamtheit der zeitgenössischen malerischen Äußerungen in Italien als Ganzes zu betrachten, das heißt, der ausgereiften künstlerischen Leistung ebenso Raum zu geben wie dem künstlerisch inspirierten Laien und Dilettanten, der nach seinem malerischen Ausdruck sucht und in einer ganz anderen Tradition steht als der Künstler. Gubitosi weist darauf hin, daß ebenso, wie es eine von Generation zu Generation mündlich überlieferte Volkspoesie gibt, die erst vor kurzem im „Folk Song“ wieder aufgegriffen und aktualisiert wurde, auch eine volkstümliche Malerei existiert, die ihre fernen Wurzeln im Votivbild und in der Ausdruckswelt der „Primitiven“ hat und daß ihre Äußerungen heute an Breite und Vielfalt zunehmen, ja auch in der „Hochkunst“ ihren Niederschlag oder ihre Reflexion finden. Zwischen ihr und der zeitgenössischen Hochkunst in Italien Verbindungsglieder zu suchen und aufzuzeigen, sei der Sinn der Ausstellung. Wie immer, bleibt natürlich ein Vergleich von Musik und Malerei fragwürdig und die im Vorwort implizierte These marxistischen Ursprungs, daß aus Quantität Qualität entstehen muß, ist ebenso falsch wie absurd.

Daß in unserer Zeit — die frap-

pante Ähnlichkeiten mit der Romantik des vorigen Jahrhunderts aufweist — die Sehnsucht lebt, die Kluft zwischen „Hochkunst“ und „volksnaher“ Kunst zu überbrücken, ist bei dem heutigen Kulturgefälle verständlich. Diktatoren haben es auf ihre Weise getan. Uns ist das Dilemma aufgegeben, mit einem immanenten Weltbild zu leben, in dem die Welt nicht mehr faßbar erscheint und dessen Konsequenzen — vor allem künstlerisch — nur schwer zu ziehen sind.

Auf Grund ihrer These bietet die Ausstellung, die unter der Pa-tronanz des Italienischen Kulturinstitutes in Wien von der Galleria d'Arte des Palazzo Dorla in Genua veranstaltet wird, ein vielseitiges und buntes Bild. Der bekannteste darin vertretene Maler ist der Neo-Dadaist Enrico Bai, dessen Montage einer Fleischerpreisliste mit Liebespaaren von Kitschpostkarten der zwanziger Jahre (ein Fehler! Warum nicht aktuellere?) unter dem Titel „Rind- und Kalbfleisch“ den amüsantesten Gag der Ausstellung darstellt. Was die künstlerisch ansprechendsten Leistungen betrifft, so findet man sie in dieser interessanten wertfreien Schau, deren Bogen vom Postimpressionismus bis zum Neo Dada und auch zum gegenstandslosen „Eissalon“ reicht, bei Gianfranco Bresolin, Italo Craffi, Lesley de Vries-Cantoni, Luisa Marzatico, Francesco Trevisan, Fieschi und Vitone.

In der Galerie der Secession sind Bilder von Paulo Mautner und Robert Piesen zu sehen, die eine starke Zusammengehörigkeit ausstrahlen. So zeigen die dunklen, geschmackvoll farbigen „Höl-len“-Bilder von Piesen — die wie Lederprägung oder Mark Tobey im Flachrelief anmuten — nicht nur handwerkliche Beziehungen zu den „sakralen“ Bildern von Frau Mautner, die in ihren „sakralen Glasbildern“ mit Hilfe von farbigen Reproduktionen interessante Wirkungen erzielt. Die ganze Ausstellung hat eine sehr ästhetische, kunstgewerbliche Note.

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