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(K)ein Bösewicht

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Seit einigen Tagen bin ich wieder in Österreich, einer jener 13.000 Auslandsösterreicher in den USA, die dort - angeblich - ein beschauliches Dasein führen. Neun Monate sind seit meinem letzten Besuch vergangen, Monate, in denen ich mehr über Österreich gehört und geredet habe als in den beinahe 20 Jahren, in denen ich in einer kleinen Universitätsstadt im Mittelwesten lebe und arbeite.

Erste Anrufe von und Begegnungen mit, ob der verschlechterten österreichisch-amerikanischen Beziehungen besorgten, Freunden und Bekannten habe ich hinter mir. Und österreichi sche Zeitungen und Zeitschriften, die mir in Amerika noch immer abgehen, habe ich auch gelesen, mit großem Fleiß, einem leisen Schauer und schließlich mit einem Gefühl der Beklemmung.

Jetzt erst weiß ich, in welch gefährlicher Situation ich mich in den letzten Monaten befand. Aus einem bekannten Wirtschaftsmagazin blickt mir Miß Liberty, der ich erst vor kurzem meinen Respekt persönlich zollte, mit stechenden Augen entgegen und ruft — etwa auch mir? — zu: „Austria, go home!“ Und dann lese ich eine Horrorstory nach der anderen. Da wird ein junges Paar aus Österreich in New York aus einem Taxi verwiesen, ein Krämer verbannt österreichische Käsesorten aus seinem Angebot, und eine Amerikanerin verläßt erbost einen Schönheitssalon, als sie plötzlich österreichische Laute vernimmt.

Da werden Österreicher angespuckt, und trotzdem läßt ein verdienter und prominenter Exil österreicher wissen, wie froh er sei, seinerzeit nicht zurückgekehrt zu sdin, auch daß er österreichische diplomatische Empfänge nun meiden werde. Ein Maler gar, prominent in der österreichischen Kolonie in New York, hat die Königsidee, eine Österreichkarte zu entwerfen, auf der das Land ausradiert ist. Vollends Bewunderung verdient ein Journalist, der—

die Gefahr auf sich nehmend, als Deutscher zu gelten - alle Hinweise auf seine Herkunft meidet. Ja, jetzt weiß ich es: So haßt uns Amerika, und wir sind Parias.

Endlich, ich muß aus meinem großen amerikanischen Schlaf aufgewacht sein … Ich mache auch im zwanzigsten Jahr meines Österreicherseins in den USA kein Geheimnis aus meiner Na tionalität. In meinem Büro an der Universität hängt noch immer die (viel zu große) Österreichkarte. Meinen Job habe ich auch noch immer.

Nicht einmal Zeitungsberichte samt Foto von einer Begegnung einer von mir geleiteten Studentengruppe mit dem Geächteten, der — ja, es ist wahr — in einem Atemzug mit allen Schurken der Weltgeschichte genannt wird — haben mir geschadet. Und in wenigen Tagen werde ich zwei Dutzend junge Amerikaner abholen, die meinem Rat folgten und zwei Monate in dem Land mit dem üblen Image Deutsch lernen wollen.

Ich will freilich weder die Echtheit der Horrorgeschichten und schon gar nicht die der Imagestudien anzweifeln, doch kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß auch viele Österreicher allzu willig zu Pauschalurteilen über „die Amerikaner“ Zuflucht nehmen, ihren Gram lustvoll erleiden und sich so gebärden, als hätte sich ganz Amerika gegen sie verschworen.

Zugegeben, eine Universitätsstadt im Mittelwesten ist nicht die ideale Au s sicht s warte nach Österreich, vielleicht jedoch eine stabilere, weniger wankende, als man sie an der nervösen Ostküste findet. Ich will nichts beschönigen und auch gar nichts verdrängen, aber doch eine andere, etwas tröstlichere Perspektive einbringen.

Die traditionellen Österreich- Stereotypen, die Gottfried Heindl seinerzeit in der hübschen Formel von Österreich als einem „5 M- Land“ zusammenfaßte (Mountains, Music, Mozart, Maria Theresia und Metternich) sind allemal stärker als die neuen Stereotypen, die sie zu überlagern drohen. Überschätzen wir doch den Stellenwert Österreichs in den Vereinigten Staaten nicht!

Zum Glück denken die meisten Amerikaner, soweit sie in dieser Richtung überhaupt etwas denken, bei Österreich noch immer eher an „Edelweiß“, jene Melodie aus dem „Sound of Music“, die sie hartnäckig für die österreichische Nationalhymne halten. Nein, Österreich ist für „die Amerikaner“ nicht der Bösewicht, auch wenn die Medien einen gegenteiligen Eindruck geben.

Als einer der 13.000 Österreicher in den USA kann ich meine Landsleute beruhigen. Es ist ungefährlich, Österreicher in Amerika zu sein. Tarnung erübrigt sich. Von Evakuierungsaktionen möge Abstand genommen werden.

Der Autor ist Professor für deutsche Sprache und Literatur an der University of Northern Iowa in Cedar Falls (Iowa) und Autor zahlreicher österreichkundlicher Bücher und Aufsätze.

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