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Kino-Weihnachten

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Unserer Zeit entsprechend, wimmelt es zum friedlich-fröhlichen Weihnachtsfest in unseren Kinos von menschenfressenden Haifischen, marokkanischen Geiselnehmern und anderen freundlichen Monstern — und eigentlich nur nostalgische Reprisen von gestern und vorgestern (,Jer Dieb von Bagdad“, „Schneewittchen und die sieben Zwerge“) bieten Familien und deren Kindern die Möglichkeit, gemeinsam im Kino weihnachtliche Freude und Unterhaltung zu finden; nein, es sind noch zwei Filme mehr — aber die sind auch nur in den Häusern zu finden, deren Programm sich meist vom allgemeinen Niveau unterscheidet. (Und wo der finanzielle Erfolg sich nicht mit dem jener Lichtspieltheater messen könnte, die Sexualität und Sadismen präsentieren!)

Über alle Alters- und Milieugrup-pen gibt es Filme, ganz wenige jedoch sind den alten Menschen gewidmet, oder handeln von ihnen. Diese heikle und so wenig attraktive Gebiet wird gern beiseitegelegt. Um so schöner, wenn dann ein Film über das Problem der Vernachlässigung der alten Leute in unserer Gesellschaft kommt, der so menschlich verständlich, ja liebevoll und treffend ist wie Bernhard Sinkeis „Lina Braake“ mit Fritz Rasp und Lina Carstens in der Titelrolle. Es geht hier um eine Zweiundachtzigj ährige, die — durch eine Bank aus ihrem Haus vertrieben und in ein Altersheim gebracht — ihre Aktivität trotzdem nicht verliert und sich schließlich mit Hilfe eines ebenfalls im Heim untergebrachten Bankrotteurs an der Bank rächt; sicher — das Verhalten der alten Dame — eine wahrhaft „würdige Greisin“ (nicht unwürdig!) im Sinne Brechts — ist moralisch anfechtbar, doch mehr als verständlich, es ist gerechtfertigt im

Sinne der Menschlichkeit, die besonders den Alten gegenüber (da sie ja niemandem mehr nützen und anstrengend sind) immer mehr abnimmt. Ein wahrhaft sehenswerter Film für alle, die noch ein Herz und eine Seele besitzen (und dies wissen) ...

Auch der italienische Zeichenfilm „Die Weltreise der Verliebten“ nach den mehr als bekannten, ja berühmten Zeichnungen von Raymond Pey-net ist unbedingt ansehenswert; nicht nur, weil er so viele originelle und wahrhaft geistreiche Einfälle besitzt, sondern weil er in seiner Tendenz Menschlichkeit und vor allem Liebe aufweist. Daß er nicht mehr ganz „frisch“ ist (1971) — siehe die Anspielungen auf die griechischen Generäle, auf Nixon, den Suezkanal usw. — spielt keine Rolle, diese Zeitzeichen sind austauschbar und leicht durch aktuelle zu ersetzen. Ein Film für Kenner und Denkende ...

Dafür ist der Rest wenig erfreulich: Nichts gegen den Film „Das alte Gewehr“ — aber diese erschreckende Rachestory eines „Mannes, der rot sieht“ (verständlich vielleicht) paßt nun kaum viel besser zum Fest des Friedens als das abscheulich-geschmacklose Porno-Kämmerspiel „Nahaufnahme“, dessen Einsatz zu Weihnachten nur als abgrundtiefe Dummheit oder Bösartigkeit gewertet werden kann. Auch der zwar gut gemachte, aber „entnervende“ (siehe Verleihankündigung) Horrorschocker „Vier im rasenden Sarg“ wäre zu einer anderen Zeit passender in den Kinos als zu Weihnachten, wenn sich die Christen der Geburt des Herrn erinnern. Oder Ist es schon wieder so weit, daß er noch einmal geboren werden müßte?

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