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Naivität siegt

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Boulevardstücke geraten mitunter in die Nähe des Dichterischen, ohne dichterisch zu sein. Das gilt auch für d'e Komödie „Jean de la Lüne“ von Marcel Achard, jenem seiner zahlreichen Stücke, mit dem ihm vor fast 40 Jahren der erste entscheidende Durchbrach gelang. Unter dem Titel „Der Träumer“ ist es derzeit im Kleinen Theater der Josefstadt zu sehen.

Der nahezu schwebende Reiz des Stücks besteht darin, daß Achard einen Menschen, der zwar in der Großstadt lebt, aber ein ausgesprochen naives Gemüt besitzt, eine attraktive Raffinierte heiraten läßt, die ihren Jeweiligen mit dem jeweils Nächsten betrügt. Dieser Jef ist naiv im Sinn der Weltfremdheit, denn er merkt gar nicht, daß er von Marceline betrogen wird, mag es noch so erkennbar sein. Müßte er wissen, woran er ist, glaubt er nicht daran, aus Liebe. Naivität und Liebe bedingen sich hier.

Jef, erster Blumenzüchter von Paris, wird von einem der Liebhaber Marcelines „Träumer“ genannt, er hat etwas von den Blumen, die er betreut, von ihrem wie selbstverständlichen Gewachsensein wohl nicht erst angenommen. Achard will uns nun glauben machen, daß dieser Naive, der noch echte Liebe zu fühlen vermag, die untreue Raffinierte zu Treue bekehrt. Da wir gewiß wünschen, daß solch eine Wesensänderung möglich sei, sind wir so höflich, Achards Schlußwendung nicht zu widersprechen.

Erich Winterstein führt diese Komödie als Regisseur etwas hausbacken als braves deutsches Lustspiel vor. Das ergibt sich aber hauptsächlich aus der nicht deckenden Besetzung der drei Hauptgestalten. Die eigentliche Qualität des Stücks kommt nicht zur Geltung. Alfred Böhm hat die Naivität eines schlicht-dummsigen Menschen, nicht die des Träumers, der letztlich in einer anderen Welt lebt. Sylvia Lydi spielt die Marceline gewandt, aber es fehlt völlig das Schillernde, die Ausstrahlung. Den Adlatus und Bruder Marcelines zeichnet Nikolaus Paryla mit andeutend skurrilen Zügen; das liegt nicht in der Rolle. Michael Toost gibt einem Betrogenen die Vehemenz der Empörung. Inge Fiedler schuf das ansprechende Bühnenbild, einen eleganten Wohnraum.

• Ab Jänner 1968 wird Holland wöchentlich für acht bis zehn Stunden ein Farbfernsehprogramm nach dem PAL-System ausstrahlen. Von den sechs im Bau befindlichen Fernsehstudios werden vier für Farbsendungen eingerichtet sein.

„Was das Jahr in stetem Wechsel uns an Lust und Leid gebracht, all des Trüben sei vergessen, nur des Heitern sei gedacht.“ So heißt es in einem alten Weihnachtslied. Es fällt nicht leicht, nach diesem schönen Vorsatz zu handeln, wenn man die letzte Fernsehkritik schreibt. Nach den Gegebenheiten des Kalenders wird diese Nummer auch die letzte Nummer in diesem Jahr sein. „Des Jahres steten Wechsel“, nie haben wir ihn deutlicher verspürt als in diesem Jahr und nie exemplarischer als gerade beim Fernsehen. Es hat sich einiges getan im österreichischen Rundfunk in diesem Jahr, und wenn auch nicht alles allgemeinen Beifall gefunden hat (auch die allwöchentliche Betrachtung an dieser Stelle hat gegen manches, was im Fernsehen geschah, Bedenken angemeldet), so muß man doch zusammenfassend konstatieren: Es ist. etwas geschehen. Und schon das ist erfreulich festzustellen, wenn man bei anderen Massenmedien nur resignierend konstatieren kann, es sei eben nichts geschehen und das, was nunmehr geschehe, sei nur die Folge dieses Nichtgeschehens. Es hat wirklich ein frischer Wind geweht im österreichischen Rundfunk seit der Bestellung der neuen Leitung. Natürlich hat dieser Wind manchmal viel Staub, aufgewirbelt, manchmal war es auch nur ein wenig Aufblu-stern, viele der Blätter, die sich da im Winde schaukelten, waren leeres Papier, und wenn man auch manchmal der Meinung war, der Wind blies zu stark aus einer Ecke, was schadet das, die Hauptsache war doch er blies.

Der Österreicher ist durch das Bleigewicht eines unerschütterlichen Konservativismus so tief und so fest verankert, daß er es sich leisten kann, an der Oberfläche und nach außen hin eine sehr ambivalente Seelenhaltung zur Schau zu tragen. Einmal eine durch nichts gerechtfertigte Selbstgerechtigkeit und Selbstgenügsamkeit und zum anderen einen ebenso durch nichts gerechtfertigten Minderwertigkeitskomplex, Dem Auftrunxpfende.n „Mir san mir“ entspricht auf der anderen Seite ein mehr skeptisches „Wer san mir schon“? Dazwischen läge das nicht unkritische Vertrauen. Das fehlt uns halt. Aber man kann ja wahrscheinlich nicht alles verlangen. Wenn wir dieses Vertrauen hätten, wir sollten es unter anderem auch, nachdem es anscheinend bei der Presse nicht mehr so leicht geht, in den Rundfunk, in das Fernsehen investieren. Es würde sich lohnen. Vertrauen ist schließlich die Grundlage jeder Gemeinschaft, die Grundlage jeder Beziehung. Es sollte es auch die Grundlage sein zwischen den Produzierenden und Konsumierenden in Rundfunk und Fernsehen.

Dabei muß man diesen letzten Ausdruck gleich korrigieren. Denn es ist ja nicht so, daß die einen nur die Gebenden und die anderen nur die Nehmenden sind. Auch die Produzenten, auch die Rundfunkführung gibt nicht nur und sie nimmt nicht nur unser Geld, sie braucht auch unser Interesse, unsere Anteilnahme, unsere Kritik. Sie wird nicht beleidigt tun, wenn ihr diese Kritik nicht immer gefällt, sie wird sie nicht so von oben herab abkanzeln, genauso wie die Kritik nicht bloß zu schulmeistern versuchen wird. Das Angerührtsein, das Beleidigtspielen, die österreichischen Nationallaster, sollten auch zwischen dem Rundfunk und seinen Hörern und Sehern auf ein erträgliches Maß herabgeschraubt werden. Sie schaffen Verbitterung, Mißgunst und Mißtrauen. Sollten wir es nicht doch lieber mit Anteilnahme, mit Freude und Vertrauen versuchen?

Viele tausende neue Fernsehapparate werden am Weihnachtsabend zum erstenmal zu flimmern beginnen und von diesem Tag an wieder viele zehntausende Menschen in den Bann ihrer Faszination schlagen. Mögen diese Menschen und mit ihnen alle Millionen Österreicher, denen das Fernsehen ein Tor in die Welt, ein Quell der Freude, eine Ursache der Fröhlichkeit und ein Mittel der Unterhaltung bedeutet, zu Weihnachten, zu Neujahr und im kommenden Jahr mit dem Vertrauen, das sie geben, auch Vertrauen empfangen. Dies ist der Wunsch .des Rezensenten, der sie fast ein Jahr hindurch durch das Fernsehprogramm begleiten und an dieser Stelle seine gewiß sehr persönlichen Meinungen dazu äußern konnte. —b.

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