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Kranke Kassen

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Der Angriff auf unsere Geldbörse wurde auf breitester Front vorgetragen. Zuerst philosophierten diverse Spitzenpolitiker darüber, ob es nicht sozial gerechter wäre, ivenn Spitzenverdiener nicht nur für einen Teil, sondern für ihr gesamtes Einkommen einen Obolus zur Krankenkasse abliefern müßten. Dann setzte der oberste Chef der Sozialversicherung den dramatischen Schlußpunkt: Eine Grippewelle - und die Krankenkassen sind pleite!

Das sollte doch reichen, um uns für die nächste Beitragserhöhung weichzuklopfen, oder? Bevor die medizinische Versorgung gefährdet wird, haben die Österreicher doch noch allemal ihr Börsel bereitwillig aufgemacht...

Der Strich durch diese Rechnung wurde überraschenderweise vom Bundeskanzler höchst persönlich gemacht. Zu Recht. Denn offenbar ist auch unser Gesundheitssystem nur unter dem Druck der leeren Kassen reformierbar. Ein System, bei dem die Abgänge stets mit dem Hinweis auf „übergeordnete Notwendigkeiten“ (und die finden sich im Bereich Gesundheit natürlich spielend) aus der Regimentskasse abgedeckt werden, sieht keine Veranlassung zu tiefgreifenden Veränderungen und wird irgendwann einmal unfinanzierbar. Das hat sich schon bei der verstaatlichten Industrie (übergeordnete Notwendigkeit: Arbeitsplätze halten) sehr deutlich gezeigt. Auch wenn wir uns damit abfinden könnten: Mit Beitragserhöhungen allein ist unser Gesundheitssystem auf Dauer nicht mehr finanzierbar, wie schon eine einzige Kennzahl deutlich macht: In den letzten Jahren sind die Ausgaben der Krankenkassen für die Spitäler doppelt so stark wie unsere gesamte wirtschaftliche Wertschöpfung (also das Bruttoinlandsprodukt) gestiegen. Es ließe sich, bei einer Fortschreibung dieses Trends ganz ohne Computer ausrechnen, wann wir nur mehr für die Erhaltung unserer Spitäler arbeiten würden.

Aber die tollen neuen medizinischen Geräte, mit denen unvorstellbare diagnostische und therapeutische Erfolge möglich sind, werden halt immer teurer...

Stimmt schon. Sie müßten aber auch zu einer gewaltigen Rationalisierung im Spitalsbetrieb führen. Wenn man eine sichere Diagnose stellen kann, müßte das doch auch ein betriebswirtschaftlicher, nicht nur ein humaner Fortschritt sein.

Wem einmal im Zuge eines längeren Spitalaufenthaltes alle Segnungen der modernen Medizin zuteil wurden, der wird das Gefühl nicht los, daß die Kunst der Spitals-Manager nicht ganz mit der Kunst der Ärzte und Ingenieure Schritt gehalten hat.

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