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Laudatio auf die Preisverleiher

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Die Stadt Wien hat kürzlich ihre Kulturpreise für 1972 verliehen, und wieder einmal hat eine österreichische Jury die in sie gesetzten Erwartungen absolut nicht erfüllt. Vor jeder Preisverleihung bangt man nämlich, daß vornehmlich der ' heimische Schwachsinn prämiiert werde, da dieser, im Gegensatz zum Geist oder gar zum Genie, keine wie immer geartete Unbequemlichkeit verursacht. Der Preis für Publizistik aber wurde just einem Mann gegeben, der — bevor er uns einen zeitgemäß deutschen Moliere schenkte — jahrzehntelang professionell unbequem war: Hans Weigel. Und bei den Schriftstellern fiel die Wahl auf Albert Drach, dessen „Zwetsch-kembaum“ jedweden literarischen Konformismus sichtbar überragt.

Die Industriellenvereinigung hat ihren diesjährigen Literaturpreis der Ingeborg Bachmann zuerkannt — nach Hochwälder, Christine Lavant, Bernhard, Mar-ginter und andern —, und ob man die Bachmann nun mag oder nicht: Sie hat jedenfalls wesentlich mehr geleistet als jener Schmierfink, der ihr unlängst im „Neuen Forum“ unter den Kittel gegriffen hat.

Und wenn man zurückblättert in den Annalen des Unterrichtsministeriums, wird man gewahr, daß auch dort weder blinder Zufall noch sohnöde Parteilichkeit gewaltet hat: die Mehrzahl der Förderungspreise ist an Autoren gefallen, die, was sie damals versprochen, dann auch gehalten haben: von Christine Busta (1950) bis Marlen Haushofer (1953), von Herbert Zand (1952) bis Ernst Kein (1958). Nicht weniger objektiv — in künstlerischer wie in politischer Hinsicht — als das „schwarze“ Unterrichtsniindste-rium hat die „rote“ Körner-Stiftung bei der Verteilung ihrer Stipendien geurteilt, wie denn überhaupt die Kunstförderung in Österreich sich in einem politisch und ideologisch neutralen Raum ereignet hat.

Denn diejenigen, die letztlich zu entscheiden hatten, waren keine Künstler, sondern Beamte (beziehungsweise Funktionäre in einem vergleichbaren Status). Die Entscheidung lag bei Personen, die dazu verpflichtet und darin geübt waren, ohne direktes Interesse zu entscheiden.

Nun aber sollen, so hört man, die Künstler selber entscheiden; doch bitte: Wer ist denn ein Künstler? Die Tätigkeit dieser Juroren soll aber transparent gemacht werden, fordern die andern, obwohl sie damit nur geschäftliche Pressionen provozieren. Und just diejenigen, die ihren sprachlichen Notstand durch reaktionäre Ideologie kompensieren und in das Rauschen ihres marxistischen Vollbarts die Stimme des Weltgeists hineininterpretieren, die sich so nennenden Literaturproduzenten also urgieren gar ihre „paritätische“ Vertretung in den Jurys! Die bisherige Praxis war keineswegs frei von Mängeln; sie war sogar ungerecht, war das in jedem einzelnen Fall, weil das Kunstarten niemals gerecht sein kann. Kontinuität einerseits und Pluralismus anderseits bewirkten freilich die optimale Näherung an die Gerechtigkeit — was man erst merken wird, wenn dann die Preisträger selber die Preise verleihen.

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