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Lernen durch Begegnung"

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Oft wird beklagt, Gott sei ortlos geworden, Religion hätte ihre lebensgestaltende Kraft eingebüßt. Dem muß ein Phänomen entgegengehalten werden, daß bei Schülern und Studenten aller Altersstufen feststellbar ist. Bei aller Schul- und Lernmüdigkeit ist das Interesse sofort da, wenn das Leben selbst zur Sprache kommt.

Gelernt wird ja heute weithin aus zweiter Hand, aus Büchern, durch Unterweisung Fachkundiger, weit weniger durch eigene Beobachtung, eigenes Erleben und Entdecken. Christliche Erziehung und Unterweisung hat von ihrem ursprünglichsten Selbstverständnis her die Brücke zu schlagen zwischen Theorie und Praxis, Lehre und Leben. War doch die Lejire Jesu an seinem Leben ablesbar, seine Worte wurden durch sein Leben beglaubigt.

In vielen Pfarren wird daher beispielsweise heute der Schwerpunkt der Firmvorbereitung nicht auf ein abprüfbares Wissen gelegt, sondern durch Gespräche, Begegnungen und Aktivitäten soll jene Reife erreicht werden, die unverzichtbare Voraussetzung für dieses Sakrament ist.

Ordensgemeinschaften öffnen ihre Pforten und laden zum zeitweisen Mitleben ein. Das Echo ist beachtlich.

Im Religionsunterricht werden immer zahlreicher die Möglichkeiten der vom Gesetz her vorgesehenen Lehrausgänge genützt. Wie sehr sich der Mensch das Le ben verbauen kann, was Schuld, Lüge, Laster anzurichten vermögen offenbart der Besuch einer Gerichtsverhandlung - und hat nebenbei auch einen Wert für die staatsbürgerliche Erziehung. Das helfende und bisweilen heilende Wirken der Kirche für diesen Personenkreis, der mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist, verdeutlicht ein anschließendes Gespräch mit einem Gefangenenseelsorger.

Krankheit, Leid und Tod, lebensbestimmende Wirklichkeiten, die im modernen Alltag sehr verdrängt werden, können bei einem Besuch etwa im Haus der Barmherzigkeit, in dem chronisch Kranke gepflegt werden, diese Seite des Lebens, vertraut machen. Die Schwellenangst, Kranken wie Schauobjekten zu begegnen, wird verhindert, wenn man die Besucher auf ein herzhaftes Gespräch vorbereitet.

Immer wieder stellt sich dann die Erfahrung ein, daß die Bereitschaft füreinander dasein zu wollen, beglückend ist für alle. Der junge Mensch bringt in diese Begegnung seine Zeit, seine Natürlichkeit und Frische ein, der Kranke seinen Erfahrungsschatz und manchmal das Zeugnis des Glaubens, das Leid zu tragen imstande ist.

Ein Besuch von Arbeitsstätten macht angesichts der arbeitsteiligen Produktionsweise klar, weshalb so vielen Menschen der Blick aufs Ganze verlorengegangen ist. Er bietet Einblick in die Arbeitswelt, in das Arbeitsleid und die Möglichkeit seiner teilweisen Uberwindung durch Kameradschaftsgeist. Neben der betriebsspezifischen Sachinformation erhalten Jugendliche einen ersten Eindruck von den Zwängen im Produktionsbereich—und sehen so schulische Zwänge in neuem Licht.

Solche religionspädagogische Impulse sollen den Blick auf das Lebensganze weiten. Erst dann kann auf die Tiefendimensiori verwiesen, die Frage nach Gott gestellt werden. Erkennen und Erkenntnis liegen nicht allein in der Reproduktion von Vorgesagtem, sondern wesentlich auch in persönlichen Erfahrungen und im Tun.

Mit den Sakramenten ist die Kirche an den Wendepunkten menschlichen Lebens präsent, sie existentiell dem jungen Menschen zu erschließen, ist wichtig für seine Persönlichkeitsreifung. In bereitwilligen Begegnungen müssen die Erwachsenen der Jugend zeigen, wofür es sich zu leben lohnt, daß ihr Einsatz wertvoll und gefragt Ist.

Die Begegnung mit dem auferstandenen Herrn hat die Jünger zu Aposteln gemacht. Wir Christen müssen in unseren Familien und Gemeinden weit mehr als bisher bereit sein für Begegnungen, wo immer es möglich ist, wir müssen Isolation zu überwinden versuchen und durch Kommunikation ein Klima der Solidarität schaffen.

Eine Kirche, in der Gemeinschaft gelingt, persönliche Erfahrungshorizonte eingebracht werden, Menschen wie die Emmaus-jünger miteinander voll Betroffenheit im Gespräch sind und das Gute auch getan wird, ist auch für junge Menschen einladend und hilfreich für ihre persönlich laquo; Entfaltung.

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