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Maria Stuart

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Wenn Schillers Trauerspiel jedem Mittelschüler des deutschen Sprachraums bekannt ist, so ist es doch nur ein Glied in der langen Reihe von Dichtungen, die sich um Leben und Tod der Maria Stuart ranken; noch zahlreicher aber sind die einschlägigen Geschichtswerke. Doch desselben Schillers Vers von „der Parteien Haß und Gunst“ ist auch hier anwendbar; und so ist es allen Geschichtsfreunden erfreulich, wenn eine dazu berufene Frau eine neue gründliche Lebensgeschichte der Königin Maria verfaßt hat. Berufen ist die Verfasserin nicht nur durch Fachstudium, sondern durch Einheirat in eines der großen altberühmten Häuser Schottlands.

Der kritische Punkt in einer Geschichte der Königin ist natürlich die Frage der Kassettenbriefe. Diese Briefe bewiesen den ‘englischen Richtern, bewiesen Generationen von katholikenfeindlichen Autoren die Schuld Marias als Gattenmörderin. Es sind nicht Originale, es sollen Abschriften ihrer Briefe sein; es sind zum Teil Übersetzungen; es sind nicht komplette Texte, da Briefanfänge und Enden fehlen. In einem Zivilverfahren um das Eigentum an einer Hauskatze würde kein europäischer Richter solche Papiere zum Beweis zulassen, aber dem österreichischen Leser ist es allenfalls bewußt, welche Beweise für die Schuld einer, so sagt man dann: bigotten und intriganten Königin hinreichen … Königin Maria selbst sagte übrigens vor ihrem Tode, als Tochter des Hauses Lothringen (aus dem war ihre Mutter) wäre sie dazu da, für den katholischen Glauben zu sterben. Lady Antonia Fraser hat wenig Schwierigkeit, solches Beweismaterial zu entkräften, wie es da — im Original eben nicht vorliegt.

Auch ist es ja nachgerade bekannt, wer damals am englischen Hof die herrschende Gruppe bildete; raubgierige Katholikenfeinde, deren

Spionage- und Foltermethoden an die Scheußlichkeiten des 20. Jahrhunderts heranreichen. Den Historikern aus der „belle époque“ des bürgerlichen 19. Jahrhunderts mag es zu verzeihen sein, wenn sie unaufgeklärt waren über die Tatsachen geheimer Staatspolizei; wir wissen es besser, ob amtlich vorgelegte Dokumente echt sein müssen …

Der Durchschnittsleser, der die romantischeste der wahrhaften Geschichten kennen will, wird sich dieses Buchs freuen; noch mehr der katholische Leser, der am Ende eines kirchenfeindlichen Märchens interessiert ist.

An dem schönen Werk wären nur Dinge auszusetzen, die nicht von der Autorin sind. Es fehlt ein Verzeichnis der Abbildungen, und so kann der Leser zunächst nicht sehen, welche zeitgenössisch sind. Und dann ist die leidige Angelegenheit der Übersetzungen, über die wir schon so oft zu klagen hatten. Diesmal ist das Deutsch der Übersetzerin durchaus menschenwürdig; über ihr Verständnis der Realien wäre immerhin einiges zu bemerken. Zum Beispiel Seite 193: „a courtesy title“ ist gerade nicht „ein ehrenhalber verliehener Titel“, sondern ein gewohnheitsrechtlich geführter… Und warum werden Adelstitel in einem übersetzten Buch nicht übersetzt? Es ist doch in jedem Taschenwörterbuch zu finden, daß „Duke“ auf Deutsch „Herzog“ heißt usw. Wir möchten wünschen, der Verleger hätte solche Unebenheiten von einem Buch ferngehalten, das in englischsprachigen Ländern großen Erfolg hat und ihn in deutschsprachigen verdient.

MARIA, KÖNIGIN DER SCHOTTEN. Von Lady Antonia Fraser. Deutsch von Ulla H. de Herrera. Originaltitel: Mary Queen of Scots. Claassen-Verlag, Hamburg und Düsseldorf 1971. 472 Seiten, 16 Abbildungen.

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