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Mens sana in corpore sano

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Erholungist eine Frage von Leib und Seele, von Körper und Geist. Was dem einen Pilze oder Bergtouren, sind anderen Sonnenstrände, Loireschlösser oder Tennis.

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Erholungist eine Frage von Leib und Seele, von Körper und Geist. Was dem einen Pilze oder Bergtouren, sind anderen Sonnenstrände, Loireschlösser oder Tennis.

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„Ich empfehle jedem - vor allem natürlich bei einem sitzenden Beruf — einen Aktivurlaub.“ So reagiert Rudolf Korschil, praktischer Arzt im 15. Wiener Gemeindebezirk, auf die Frage, wie man sich im Urlaub am besten erholen kann. Aktivurlaub - das heißt sportliche Betätigung im Sinne eines Ausdauertrainings (siehe Kasten). Übrigens: Auch Winston Churchill war zumindest in jungen Jahren Sportler, ehe er sein „No sports“-Image pflegte.

Was bedeutet überhaupt Erholung? „Es geht um das Umschalten vom Sympathikus, dem Leistungsnerv, auf den Parasympa-

thikus, den Schlaf- und Erholungsnerv“, erklärt Korschil. Die Aktivität des letzteren geht mit einem Sinken des Blutdrucks und der Pulsfrequenz Hand in Hand. Mediziner plädieren besonders deshalb für Ausdauersportarten, weil diese mit relativ konstanter Pulsfrequenz betrieben werden, zur Senkung des Blutdrucks und zum Abbau schädlicher Blutfette (Cholesterin) führen.

In früheren Jahrtausenden war körperliche Bewegung noch etwas so Natürliches, daß solche Fette, wenn sie aufgrund von Streß im Blut auftraten, rasch verbrannt wurden, heute haben Bewegungsarmut und Ernährungsfehler dieses Problem verschärft. Der optimale Aktivurlaub sollte daher auch mit vernünftiger Ernährung einhergehen, was nicht immer gelingt. Gerade diverse auf Aktivurlaube spezialisierte Clubs verführen durch opulente Büffets nicht selten zu unmäßigem Essen.

Rudolf Korschil ist alljährlich ärztlicher Betreuer der Österreich-Radrundfahrt und selbst ein glänzender Radfahrer und Skilangläufer. Er weiß, daß körperlichen Leistungen ein Aufbauprogramm vorangehen muß und warnt davor, sich ohne entsprechende Vorbereitung auf allzu anstrengende sportliche Aktivitäten einzulassen, insbesondere in vorgerücktem Alter. Wer für den Urlaub solche Aktivitäten plant, sollte schon Wochen vorher mit leichtem Training dafür beginnen.

Vor allem Sportarten mit starken Schwankungen der Pulsfrequenz (Tennis, Tischtennis, Squash) sind geradezu gefährlich, wenn sie ohne entsprechende, durch Ausübung einer Ausdauersportart erzielbare Grundkondition plötzlich in Angriff genommen werden. Gefährlich ist sicher auch jedes Mißverhältnis von Ehrgeiz und Trainingszustand auf sportlichem Gebiet.

Gefahren birgt aber auch plötzliches Abschiednehmen vom beruflichen Streß. „Gerade unter von Terminen gejagten Managern, auch unter Ärztekollegen, treten relativ oft Herzinfarkte am ersten oder zweiten Urlaubstag auf“, meint Korschil nachdenklich. Offenbar ist der Ubergang vom Arbeits- zum Erholungsprozeß für manche ein gar nicht so leicht zu bewältigendes Problem. Auch psychische Faktoren dürften dabei mitspielen.

Wer ständig Kontakt zu seiner Arbeitsstelle hält, wer mit seinen Gedanken auch am Urlaubsort mehr den Schwierigkeiten im Büro nachhängt als einen wunderschönen Sonnenuntergang am Meer oder im Gebirge wahrzu-

nehmen, dem ist anscheinend jenes Abschalten-Können, das für einen erholsamen Urlaub notwendig ist, nicht gegeben.

Mindestens drei Wochen sollte ein Sommerurlaub dauern, predigen die Mediziner (zusätzlich wären zwei Urlaubswochen im Winter empfehlenswert), zwei Drittel davon sollte man an einem Ort verbringen. Eine Absage an Rundreisen, insbesondere an solche per Autobus? „Für einen Büromenschen ist eine Rundreise sicher kein Urlaub“, meint Rudolf Korschil, „für eine Hausfrau kann es einer sein.“ Ganz sicher Gift sind lange Autoreisen für kleinere Kinder.

Wer beispielsweise mit dem Auto nach Griechenland oder Portugal fährt, sollte nicht darauf aus sein, in Rekordzeit das Urlaubsziel beziehungsweise auf der

Rückfahrt den Heimatort zu erreichen, sondern sich ein, zwei Tage mehr Zeit lassen, sich unterwegs noch etwas anschauen, jedenfalls möglichst nicht in Streß geraten (und auch nicht in Staubereiche, die Nerven und Teile der Erholung kosten können).

Die wahren Abenteuer sind bekanntlich im Kopf, und dort spielen sich auch die Urlaubserlebnisse ab. Und dort entscheidet sich, ob die jeweilige Reise — egal wohin — als erholsam empfunden wird. Und vielleicht kommt der Bildungshungrige, der 50 Schlösser, Klöster und Kathedralen besichtigt hat, nach drei Wochen Autobusrundreise gelöster und mit mehr neuen Kräften nach Hause als einer, der drei Wochen in der Sonne gelegen ist.

Letzteres ist übrigens wenig zu empfehlen. „Zuviel Sonne ist nicht nur wegen der Melanom-Gefahr bedenklich*', meint Mediziner Korschil, „sie bewirkt auch stärkere Faltenbildung und eine frühere Alterung der Haut.“ Zu intensives Sonnen ist ebensowenig ratsam, wie im Urlaub die klimatischen und hygienischen Bedingungen des Reiselandes außer acht lassen.

Wie erholt man sich also richtig?

Das Wichtigste ist, daß man am Urlaub Freude hat, daß man Dinge unternimmt, die Spaß bereiten, zu denen man sonst wenig kommt und die in sinnvollem Kontrast zum beruflichen Alltag stehen. Ob Bücher lesen, Kulturveranstaltungen besuchen. Beeren pflücken, Pilze sammeln, Berge besteigen, Sport betreiben oder (mit Maß) am Sonnenstrand liegen — alles kann erholsam sein.

„Mens sana in corpore sano“ (Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper) bleibt wohl nach wie vor das Ziel jeder echten Erholung.

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