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Neue Freunde

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Sie fallen auf obwohl sie gerade so wenig auffallen wollen. Wir alle sehen sie immer öfter in den Straßen, in den Museen, in den Theatern, vor historischen Bauwerken, vor und in alten Kirchen. Sie bewegen sich niemals hastig, sind still, stehen oft längere Zeit staunend, vielleicht ratlos, man weiß nicht recht, was in ihnen vorgeht. Man wird es erraten haben: Ich meine die japanischen Touristen.

Dabei rollen die sehr nützli-chen, ökonomisch günstigen, eleganten Produkte dieser Japaner langsam schon dominierend auf unseren Straßen. Die Kameras aus diesem Land am anderen Ende der Erde nehmen wir auf unseren Reisen mit, die elektronischen Schreibmaschinen und Computer erobern immer deutlicher unsere Märkte.

Nun kommen deren Erzeuger selbst immer zahlreicher, öfter und, wie es scheint, immer lieber. Mitunter sitzen sie auch in Kaffeehäusern oder Restaurants typisch europäischen Charakters, die ihnen bereits gehören. Gelegentlich sehen sie auch Veranstaltungen europäischer Kunst höchsten Ranges, die von Sponsoren ihres Landes ermöglicht wurden. Oder sie schauen hinauf zu den leuchtenden Farben der Sixtinischen Kapelle, deren Restaurierung sie mit einer gigantischen Summe finanzieren.

Sind diese japanischen Touristen nur Neugierige, die ihren technischen Exporten nachreisen, umihrewirtschaft-lichen Erfolge an Ort und Stelle so richtig zu genießen? Kaum. Denn stolze Gewinner benehmen sich anders. Im Gegenteil. Ich habe den Eindruck, daß diese zarten und ruhigen Leute die ursprünglichen Quellen ihrer eigenen Erfolge kennenlernen wollen. Denn ihre technischen Produkte stammen aus der europäischen Tradition. Ihre Logistik ist eine europäische, und ohne Archimedes, Euklid, Galilei, Pascal, Leib-niz, Einstein und vielen anderen Europäern würde es die wunderbaren Computer, die Autos, Radios, Kameras nicht geben.

Ich habe das Gefühl, daß die Japaner nach Europa strömen, um das Rätsel ihrer eigenen technischen Welt zu ergründen oder wenigstens authentisch zu erfahren. Die Mathematik, die Technik, die Malerei, die Musik, ebenso die Philosophie und Literatur kommen aus ein er Kultur, aus jener Europas. Suchen die Japaner unbewußt oder bewußt eine Art neuer Identität? Jene Identität, die zu ihren gigantischen technischen und wirtschaftlichen Erfolgen gehört? In Japan gibt es hervorragende Adalbert-Stifter-Forscher, Nestroy- und KarUKraus-Spezialisten. Ich rede nicht negativ von Konkurrenz, die ein sehr fruchtbarer Teil der Wirtschaft ist, sondern von Kultur. Immer mehr bin ich davon überzeugt: Wir haben wertvolle Freunde gewonnen.

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