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Interpretiv - kein Druckfehler, der Karikaturist mit „profil” hat es vor der Kamera zweimal ins Mikrophon genuschelt. Stimula-z-tiv nannte der Korrespondent in Belgrad, was man dort für Wirtschaftspolitik hält. Angezogen werden könnten diese Herren — denn wer würde noch sagen: zitiert? — von einem anderen Wort-Schneider, einem der Sprach-Häcksler, hinter deren Prokru-stes-Fratze der Zeitgeist mit Vorliebe schlüpft. Ist man doch einen Tag lang mit einer neuen Sprachverhunzung allen anderen voraus. Morgen wird sie allerorten nachgeplappert. Wer möchte schon für altvordern gelten?

Formativ kommt so das Anglo-Deutsch der Wissenschaftsmoden und der Medien über uns. Die Dauer solcher „Moden” ist nicht abzusehen; kaum einer kann es lassen — also davon absehen. Heinrich Heine, immerzu unzeitgemäß: „Ende der Literatur in der Demokratie. Freiheit und Gleichheit des Stils. Jedem sei es erlaubt, nach Willkür, also so schlecht er wolle, zu schreiben, und doch soll kein anderer ihn stilistisch überragen und besser schreiben dürfen.”

Spezialistisch schmeckt anrüchig elitär, privatistisch klingt schön verrucht. Ist eine Sache in „Spiegel”-Deutsch zerfilmt, sie kann ^doch durchgestylt sein. Komplizität hieß einst Komplizenschaft, ordinär-direkt! Depressivität könnte sich einstellen vor solchen Schroffheiten. Wer würde bei Realitäten auf ein entsprechendes Büro abzielen? Sie bringen uns, mit Rasanz und Konstanz, die Ernüchterungen bei, die Gemütsbedrückungen und Verdüsterungen, ohne welche es auch bei einem Thomas-Mann-Preisträger nicht abgeht, dem Golo Mann die Laudatio hält. Ist doch der Plural so exakt wie die Schwammerl im Walde. Gleich hat sich ein Rezensent inspiriert gezeigt, Entlegendarisierungen, Schrecklichkeiten und Widersprüchlichkeiten drangehängt. Schreckliches, Widersprüchliches ist irrsinnig echt zu wenig.

Fest zu bleiben, ist da nicht leicht; man kann sich verstolpern, mit ubiquitären Kenntnissen bei ignoranten Adjektiven. Wer meint, einem Willy Brandt sei Programmatik nicht anzulasten, fragt vielleicht doch, ob er schon den Beginn seiner „Erinnerungen” mit Ungerechtigkeiten und Unzulänglichkeiten vernebeln muß. Da dissertiert einer über Karl Kraus, schreibt über Nike Wagners Kraus-Buch und hält sich dabei lieber an den Singular: mit platter Wörtlichkeit,, psychoanalytischer Beliebigkeit und psychologischer Trugschlüssig-keit.

Karl R. Poppers 80. Geburtstag war zu würdigen. Der ORF, so meinen manche, sei eine Bildungsanstalt. Die Sprecherin schmückte sich ein paarmal mit Sir Charles Popper. Sie glaubt ihre Schlawiner zu kennen und recht zu tun: Ein Herr Karl aus Wien ist kein Sir.

Phantastische Unverbindlich-keit — wer die Formel prägte (gedacht als ästhetische Qualifikation), hat auch gleich den Zeitgeist festgenagelt. Stürzen wir uns mit Sanguinismus und Schönlinigkeit in die Auflistung seiner Produkte. Wir haben da die Unheimlichkeit, vielleicht von Wirtschaftswachstümern, die Zufälligkeiten von Lebenszufällen, die Unerheblichkeiten von Ohnmächten, schrullige Einsamkeiten und die Peinlichkeiten von Gewalttätig- und Handgreiflichkeiten, für welche Verantwortlichkeiten, auch Zuständigkeiten, sich werden finden lassen.

Der Historiker in der Redaktion der „Zeit” nennt Albert Speer den Organisator einer respektvollen Rüstungsmaschinerie; wenn von Respekt hier schon die Rede sein soll, dann vielleicht -heischend; aber was ist das schon gegen den Ritt über den Bodensee des Kommunismus, den ein Journalredakteur des ORF am 3. August 1982, planwirtschaftliche Nöte charakterisierend, leidgewohnten Hörern aufnötigte: er schoß damit den berühmten Vogel ab, der dem Faß die Krone aufsetzt, indem er ihm den Boden ausschlägt.

Zu guter Letyg

Präsident Reagan befragt einen Wahrsager über die Zukunft der amerikanischen Wirtschaft.

Der Mann schickt sich an, eine Münze in die Luft zu werfen, und erklärt: „Wenn Kopf kommt, bricht die Landwirtschaft zusammen, wenn Adler kommt, die Computerindustrie.”

Reagan ist entsetzt: Sonst gibt es keine Möglichkeiten?”

Darauf der Wahrsager: „Vielleicht bleibt die Münze auf der Schmalseite stehen, dann bricht die Autoindustrie zusammen.”

Reagan ist verzweifelt: ,JJas sind wirklich alle Alternativen?”

Der Wahrsager: „Nun ja, vielleicht wirkt Gott ein Wunder, und die Münze bleibt in der Luft — dann bricht nur das Weiße Haus zusammen!”

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