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Österreicher und Russen schwiegen aus Konkurrenzangst

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Der am Donnerstag der letzten Woche zu Ende gegangene Besuch des sowjetischen Ministerpräsidenten Kossygin in Österreich ist, was seine wirtschaftliche Ausbeute anlangt, sicherlich ein voller Erfolg gewesen. Zahlreiche Gesprächspartner der sowjetischen Delegation zeigten sich überrascht vom Ausmaß des Interesses, das die Sowjets an einer engen Zusammenarbeit mit Österreich auf wirtschaftlichem Gebiet zeigten.

Dennoch fällt es, nahezu eine Woche nach dem Ende des Staatsbesuches, schwer, die wirtschaftliche Ausbeute zu konkretisieren. Vor allem die sowjetischen Teilnehmer an den Gesprächen waren nämlich an einer Geheimhaltung wichtiger Übereinkünfte interessiert. Aber auch österreichische Firmen, unter starkem Konkurrenzdruck europäischer Großgesellschaften, sind nicht unbedingt an einer Publizierung ihrer Abschlüsse interessiert.

Naheliegendstes und wichtigstes Gesprächsthema mit dem Ministerratsvorsitzenden der UdSSR war zweifellos der Wunsch Österreichs nach einer Verdoppelung der sowjetischen Erdgaslieferungen nach Österreich. Die Sowjetunion, die noch im Sommer 1971 einer Aufstockung der Erdgaslieferungen auf drei Milliarden Kubikmeter jährlich zugestimmt hatte, bestreitet auch heute ihre grundsätzliche Bereitschaft dazu nicht, verschanzt sich aber, ebenso wie beim österreichbesuch des Außenhandelministers Patolitschew zu Jahresbeginn, unter innersowjetischen Lieferschwierigkeiten.

Die Sowjetunion sei grundsätzlich bereit, heuer die Liefermenge an die ÖMV etwas zu erhöhen, eine größere Aufstockung komme aber erst nach einem großzügigen Ausbau der innersowjetischen Rohrleitungen in Frage, erwiderte Kossygin entsprechende Fragen der Österreicher. Er verwies auf andere bestehende Lieferverpflichtungen seines Landes und machte klar, daß es natürlich weiterlaufende Kontakte zwischen den zuständigen Stellen beider Staaten geben werde. Die österreichische Industrie hat ja großes Interesse an Liefermöglichkeiten von Rohren, Pumpstationen und ähnlichen Anlagen.

Kossygin, der mit seinem Besuch mitten in die österreichischen Aufwertungsgespräche traf, kam in zahlreichen Gesprächen auch auf die internationale Währungslage zu sprechen. Neben leiser Kritik am Westen, über seine Unfähigkeit, die Krise zu meistern, gab sich aber der Sowjetpremier versöhnlich: Die UdSSR habe österreichischen Vorschlägen zum Zahlungsverkehr auf Clearingbasis zugestimmt, meinte er, und sei auch jetzt bereit, die vorgeschlagene Schillingfakturierung zu akzeptieren. Schließlich wolle die Sowjetunion niemanden diskriminieren und spüre selbst die Auswirkungen der internationalen Währungskrise in ihrem Außenhandel. Die baldige Errichtung einer sowjetischen Bank in Wien wurde als Zeichen für das Interesse gewertet, daß nun auch der Osten dem Finanzplatz Wien entgegenbringt.

Zu konkreten Abschlüssen und Absprachen scheint es zwar in zahlreichen Verhandlungen am Rande der offiziellen Gespräche gekommen zu sein, doch ist es äußerst schwierig, Details zu ermitteln.

Hauptgrund dafür scheint die Konkurrenzangst beider Seiten zu sein. So scheinen die Sowjets verschiedene Projekte mit Österreichern erörtert zu haben, die ausländischen Firmen erst zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgegeben werden sollen. Aus Gründen der Marktpflege scheinen sie aber nicht an der Veröffentlichung interessiert zu sein. Gespräche wurden über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Stahlindustrie, der Textil- und Zelluloseindustrie, der Errichtung von Kernkraftwerken, über den Schiffsbau geführt. Darüber hinaus wurden auch Gespräche über die Lieferung von Maschinen für die Lebensmittelindustrie, österreichische Rohstoffbezüge aus der Sowjetunion, den Reexport daraus hergestellter Waren und über die gemeinsame Lieferung von Ausrüstungen an Drittländer gesprochen. Gerade dabei schienen die Gespräche oft sehr ins Detail und in die Nähe der Vertragsreife geführt worden zu sein.

Das Gesamtvolumen des österreichisch-sowjetischen Handels ist jedenfalls auch nach Ansicht der Sowjets steigerungsfähig. Das überraschend starke Interesse der Delegation aus der Sowjetunion an der österreichisch-sowjetischen Kooperation auf wirtschaftlichem Gebiet sollte für österreichische Unternehmen ein Anreiz sein, sich verstärkt auf diesem Exportmarkt zu engagieren.

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