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ÖVP: Wer hätte das gedacht?

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Die Weltgeschichte ist nicht dazu da, die ÖVP zu retten. Aber die ÖVP wäre schlecht beraten, sich von ihr nicht retten zu lassen, wenn die Gelegenheit winkt. Und noch nie hat die Volkspartei innerhalb einer einzigen Woche ein günstigeres Angebot von ihr erhalten.

Daß der Parteitag ohne Selbstzerfleischung, ohne Zerreden der Parteireform und ohne verbale Fortsetzung der Verfeindungspolitik verlief, hing wesentlich mit der Jugoslawien-Krise zusammen. Man zeigte Disziplin und Würde, gab sich staatstragend und versöhnlich. Auch daß die Abstimmung klar für den erfahrenen Politiker und Osteuropa-Kenner Erhard Busek endete, hing damit zusammen.

Gleichzeitig erhielt Außenminister Alois Mock, erklärter Görg-Verfechter, eine neue Chance zur Profilierung. Er nutzte und nutzt sie souverän. Maßgeblich hat er zu einer wirklichkeitsnäheren Einschätzung der Balkan-Situation in wichtigen EG-Ländern, ja selbst in den USA beigetragen. Seine mit Entschlußkraft gepaarte Zähigkeit, in der Zeit seiner Parteiführung bisweilen als Sturheit gerügt, trägt in der Diplomatie unübersehbar Früchte.

Die Krise gibt auch Verteidigungsminister Werner Fasslabend und seinem Ressort neue Möglichkeiten. Wer redet noch von der „Sinnlosigkeit eines Bundesheeres im Atomwaffenzeitalter"? Selbst Steirer fühlen sich unter Drakenschutz jetzt sicherer. Eine wirklich umfassende Heeresreform hat Chancen wie noch nie. Das sollte auch einer Partei nützen, die immer für Landesverteidigung war, aber oft allzu lange sich nicht davon zu reden traute.

Und hat nicht auch ein neuer Landeshauptmann von Kärnten plötzlich Aussicht auf mehr Akzeptanz, der fest, aber besonnen handelt, statt sich als Sprücheklopfer und Bungy-Jumper am Gummiseil ins Rampenlicht zu drängen? Auch dieses Geschenk ist der ÖVP vom Schicksal in den Schoß geworfen worden.

Der heilige Erhard, vor 1300 Jahren als Organisator des Bistums Regensburg berufen, wird angerufen als Schutzpatron gegen Augenleiden und „in allen Nöten". Wenn es Erhard Busek gelingt, die ÖVP von mancher Kurzsichtigkeit zu befreien, sollte das auch die eine oder andere ihrer sonstigen Nöte kurieren. Schon die erste Pressestunde zeigte das Erwartete: man braucht nicht zu zittern, wenn die Kamera auf ihn schwenkt. Er kann der Volkspartei wieder Selbstbewußtsein vermitteln, was ihr am dringendsten fehlt. Wenn er aus seinen bisherigen Erfahrungen gelernt hat, wird er seine intellektuelle Überlegenheit nicht mehr provokant ausspielen und seine Mitarbeiter fair behandeln.

Erhard Buseks erste Gesten als Parteiobmann ließen Einsicht und Versöhnungsbereitschaft erkennen. Wenn seine Gegner ähnlich wie er (und Görg selbst) reagieren, hat die ÖVP eine letzte Chance für neue Erfolge zugespielt erhalten. Ein zweites Mal umbuhlt das Schicksal selbst seine Favoriten nicht.

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