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„Richtig machen“!

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Einen Hauch des Raffinierten, Sensationellen, eine Modell-„Salome“ im Jugendstil, wünschte sich Staats-operndirektor Professor Rudolf Gamsjäger, als er das Team Dr. Karl Böhm, Regisseur Boleslaw Barlog und Bühnenbildner Jürgen Rose mit der Neuinszenierung von Strauss' „Salome“ als Weihnachtspremiere beauftragte. „... und was lag da näher, als endlich einmal die weltberühmten, längst in die Kunstgeschichte eingegangenen Originalillustrationen zu Oscar Wildes Textbuch für die Bühne auszuwerten“, meint Barlog, der rundlich-gemütliche Mittsechziger, dem man gar nicht ansieht, daß er in Berlin jahrzehntelang Theatergeschichte gemacht hat.

„Will man dieses exaltierte Werk richtig verstehen, muß Kunst .synchron', also der Entstehungszeit der Dichtung und Musik entsprechend, in der ursprünglichen Wirkung eingesetzt werden“, argumentiert er. „Nichts ist gefährlicher, als wenn Inszenierung und Ausstattung nach vorletzter Moderne aussehen. Aber wenn man Wilde und Strauss mit der Wünschelrute durch die Partitur folgt, spürt man doch gleich, wie das Leben auf der Bühne in diesem Palast des Tetrachen Herodes, in diesem Haus voll Morast, Goldstaub, Juwelen, Verwesung, aussehen muß. Und damit hat man eigentlich auch so heikle Stellen wie den mystischen Verführungstanz der sieben Schleier schon beinahe .geschafft'. Es gibt für mich nie eine Diskussion, wie man eigentlich ein Werk im großen interpretieren muß: Das steht stets im Text, in der Partitur. Allerdings bin ich gerade dafür, vor allem bei meinen Shakespeare-Regien, oft ,geprügelt' worden, weil es Mode ist, einfach schon alles zu bearbeiten und neu zu fassen.“

Keine Frage: Wildes Text von 1893, ein ekstatischer Hymnus auf den Schönheitskult, der die bürgerliche Moral des victorianischen London auf den Kopf zu stellen drohte, die Illustrationen des exzentrischen englischen Dichters, Zeichners, Illustrators und Zeitschriftengestalters („Yellow Book“, „The Savoy“) Aubrey Beardsley und Strauss' bis 1905 fertiggestellte Musik sind höchst artistisch konzipiert, künstlich überhitzt, neurotisch. Um so klarer will Barlog dagegen seine Regiearbeit absetzen: „Die Führung der Sänger darf keinesfalls von der Exzentrik bestimmt sein. Mir geht es nur um das Sichtbarmachen menschlicher Beziehungen, um eine Analyse der psychologisch-raffinierten Situationen. ,Jochanaan' Eberhard Wächter etwa darf so gar keine Hysterie zeigen. Er ist wie Antonius in der Versuchungsszene, einfach dieser Besessenen, Salome, ausgeliefert, die um einen Kuß kämpft...“

Barlog kommt übrigens Mitte Februar 1973 wieder nach Wien, für eine Inszenierung von Tschechows „Kirschgarten“ in der „Josefstadt“. Er meint: „Erstens kann ich mir jetzt, nachdem ich 27 Jahre lang am Schiller-Theater Indendant war, endlich leisten, nur noch zu inszenieren, was mir Freude macht. Und außerdem arbeite ich hier so gern. Ich find's zum Beispiel eine Ehre, täglich durch dieselbe Tür zu gehen, durch die schon Mahler gegangen ist.“

Zahlreiche Regieangebote hat er soeben abgelehnt. Im Jänner arbeitet er an einem „Don Giovanni“ in Hannover, im August folgen Shaws „Häuser des Herrn Sartorius“ für eine Tournee und Steinboecks „Von Mäusen und Menschen“, dann eine Inszenierung an der Deutschen Oper Berlin. „Und dabei bleibt's-. Es geht mir längst nicht mehr darum, eine Sache interessant zu machen. Das ist sehr leicht. Ich will sie vor allem richtig machen, was viel Zeit kostet.“

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