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Sonntagskultur

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Wenn man mit Katholiken über den Sonntag spricht, ist bald von der Meßpflicht die Rede. Damit werden zwei irreführende Vorstellungen vermittelt. Die erste redet von der Eucharistiefeier, als wäre sie etwas, was man wie eine mehr oder weniger lästige Pflicht abzusitzen habe. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, daß gelegentlich (in bester Absicht) gesagt wird, Gott müsse einem doch das kleine Opfer wert sein, einmal in der Woche eine knappe Stunde herzugeben. Als ob es nicht auch darum ginge, daß diese Stunde für einen selbst wertvoll sein sollte.

Genau bedacht steht der Rede von der „Sonntagspflicht“ auch ein „Sonntagsrecht“ gegenüber: Eben das Recht der Gemeinde und des einzelnen auf einen Gottesdienst mit einem eigenen Seelsorger und auf eine Predigt, die ihm hilft, sein Christsein zu vertiefen.

Die Rede von der Pflicht greift zu kurz — sie war auch den Christen der ersten Jahrhunderte fremd. Der zweite Irrtum besteht darin, so zu tun, als habe sich das Wesen des Sonntags erschöpft, wenn man in der Messe war. Tatsächlich liegt das Wesen des Sonntags im Anschluß an die jüdische Sabbattradition in der Ruhe, im aufatmen“ nach der Last der Woche. Und erst von da her erschließt sich der Sinn des verbindlichen Gemeindegottesdienstes.

Die jüdische Sabbatruhe, beginnend mit dem Sonnenuntergang des Vorabends, galt auch Knechten und Mägden, Leibeigenen und Sklaven, ja sogar den Haustieren, war also religiöses und soziales Gebot in einem. Hier sollte der Mensch zu sich finden, Zeit für Familie und Freunde haben, zum , Nachdenken kommen und sein Leben wieder nach dem Wesentlichen ausrichten. Gerade in unserer hektischen und zweckorientierten Zeit könnte die Pflege dieser alten Sonntagskultur wertvoll sein.

Gerade wer gewohnt ist, die Freizeit nach der hektischen Motorik des gestreßten Alltags zu verplanen, sollte für sich eine alternative Kultur der Muße entwickeln. Die Wiederentdeckung des gemeinsamen Kirchgangs zu Fuß bei geringer Entfernung wäre hiefür ein Beispiel. Wie überhaupt die seltene und bewußte Verwendung des Autos uns der Natur, aber auch den Menschen näherbringen könnte. Und damit uns selbst — und letztlich Gott.

Feiern“ hieß ursprünglich: nicht arbeiten. Der jüdische Feierabend“ mit dem Entzünden des Sabbatleuchters nach Sonnenuntergang war der Auftakt zum Feiertag“. Wie wärs mit einer Sonntagskerze am Samstagabend — zum Heimleuchten?

Zwölfter Teil einer Serie über Zeichen und Symbole im Jahreskreis der Kirche.

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