6984444-1986_20_20.jpg
Digital In Arbeit

Sterndeuter

Werbung
Werbung
Werbung

In Zeiten einer solch ungewis-JL Ilsen und aufregenden Gegenwart neigen wir Erdenbürger immer dazu, unser Heil im Ubersinnlichen zu suchen. Infolgedessen blühen die sogenannten Geheimwissenschaften heute wie noch nie. Unzählige Chiromanten, Astrologen, Okkultisten, Wahrsager, Traumdeuter und sonstige Vertreter der hintenherum betriebenen, also schwarzen Magie weisen gutgehende Geschäfte auf.

Professoren, Madames, Zigeunerinnen und Yogis eigener Fech-sung vertiefen sich in Handflächen, Kaffeesätze, Schnapskarten, Kristallkugeln und Himmelszeichen und sagen einem dann verblüffende Dinge aus der Vergangenheit, die man ohnehin schon weiß. Oder eröffnen verheißende Aspekte für die Zukunft, die dann eintreffen oder auch nicht.

In Zeiten des Schwarzsehens ist das Hellsehen anscheinend lohnend ...

Die meisten dieser Geheimwissenschaftler sind Autodidakten. Und man verzeiht einem Autodidakten seine Fehler mit Rücksicht auf den schlechten Lehrer, den er gehabt hat. Außerdem unterstützt ja unser Aberglauben diese Art lukrativer Scharlatanerie.

Beweise für die Richtigkeit des Aberglaubens tun sich auf Schritt und Tritt kund. Wie viele Männer straucheln, wenn ihnen eine schwarze Katze über den Weg läuft! Selbst wenn die Katz' nicht schwarz, sondern platinblond oder tizianrot ist.

Dreizehn ist nachgewiesenermaßen eine Unglückszahl. Davon bin ich auch felsenfest überzeugt. Ganz abgesehen vom 13er-Wagen, der nie daherkommt, wenn man ihn braucht und auf den man an regenfeuchten Tagen besonders lang warten muß, halte ich es für ein Unglück, als Dreizehnter bei Tisch zu sitzen, wenn die Gastgeberin das Essen kaum für neun Personen berechnet hat...

Turbangeschmückte Horoskopverkäufer behaupten, unsere Zukunft läge in den Sternen. Da glaube ich eher daran, daß unsere Wirtschaft am Mars liegt...

Was können die Sterne von uns wissen? Wie kann der Abendstern wissen, was bei Tag vor sich geht? Oder der Morgenstern, was sich nachts ereignet? Die beiden einzigen Sternbilder, die uns Aufklärung bringen können, sind der Stier, der über unseren unbezahlten Rechnungen schwebt, und der Wassermann, dessen Reaktion eindeutig positiv oder negativ ist... '.

Die Horos-Kopisten haben auch charakterliche Normen für uns aufgestellt: ein August-Geborener ist ein Löwen-Mensch, ein Jänner-Geborener ein Steinbock! Ich bin im September geboren. Ich bin also eine Jungfrau...

Und dann ist da der Okkultismus, den sich diejenigen einreden, die glauben, daß die Nachwelt es ohne sie nicht wird aushalten können.

Wir Menschen leiden ja prinzipiell an Selbstüberschätzung. Die meisten sind sogar durch diese Einstellung glücklich. Sie sind in sich selbst verliebt und haben keine Nebenbuhler. Die Friedhöfe sind voll von Lebewesen i. P., die seinerzeit dachten, daß die Welt ohne sie nicht auskommen kann...

Und so umarmt denn der Jux die Selbstüberschätzung, und dem Verhältnis entsprießt der Spiritismus. Familien, in denen es nachgewiesenermaßen seit Degenerationen keinen Geist gegeben hat, zitieren die Geister ihrer Vorfahren.

Es wird gerückt, geklopft, beschworen und gedeutet. Napoleon muß Auskunft über den Ausgang von Onkel Pepis Geschäftsreise geben, und Cäsar wird bemüht, um sich darüber zu äußern, ob der Herr Zimmerherr sich endlich der Mizzerl gegenüber so benehmen wird, wie man das von einem Beamten der sechsten Rangsklasse mit Recht erwarten könnte...

Ich glaube, wir sollten endlich mit diesem ganzen überdimensionalen Unfug aufhören. Unsere Seele, oder was wir so nennen, ist meines Erachtens bestimmt nicht wertvoll genug, um in einem kosmischen Museum für ewige Zeiten aufbewahrt zu werden. Da bin ich schon eher für die Seelenwanderung. Die wirklich großen Geister bleiben der Nachwelt ohnehin in ihren Werken erhalten.

Ich weiß nur eines: wenn es eine Seelenwanderung gibt und ich komme eines Tages als Rhinozeros wieder auf die Welt—dann trete ich der Künstlerkammer bei...

Früher nicht...

Am 16. Mai 1971, vor 15 Jahren, starb Karl Farkas, der „Großmeister“ des österreichischen Nachkriegskabaretts.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung