6909038-1981_02_04.jpg
Digital In Arbeit

„Streng vertraulich“ wäre Einwand möglich

19451960198020002020

Die Ernennung von Reinhold Stecher zum neuen Innsbrucker Diözesanbischof durch Papst Johannes Paul II. erfuhren die Tiroler Katholiken frühestens am 20. Dezember 1980. Hingegen wußte die Bundesregierung seit längstens 16. Dezember Bescheid: An diesem Tag beschäftigte seine Ernennung offiziell den Ministerrat. „Streng vertraulich.”

19451960198020002020

Die Ernennung von Reinhold Stecher zum neuen Innsbrucker Diözesanbischof durch Papst Johannes Paul II. erfuhren die Tiroler Katholiken frühestens am 20. Dezember 1980. Hingegen wußte die Bundesregierung seit längstens 16. Dezember Bescheid: An diesem Tag beschäftigte seine Ernennung offiziell den Ministerrat. „Streng vertraulich.”

Werbung
Werbung
Werbung

Die Verleihung des Bischofsamtes ist zwar in jedem Fall Sache des Papstes, trotzdem hat, was nur wenige wissen, auch die österreichische Bundesregie­rung ein Wörtchen mitzureden: zumin­dest theoretisch.

Das am 5. Juni 1933 unterzeichnete und am 1. Mai 1934 in Kraft getretene Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich macht jedenfalls die Bischofsernennung vom Einverständnis der Wiener Regie­rung abhängig.

Im zweiten Paragraphen des Kon­kordatsartikel IV. heißt es dazu wört­lich: „Bevor an die Ernennung eines re­sidierenden Erzbischofs, eines residie­renden Bischofs oder eines Koadjutors mit dem Rechte der Nachfolge... ge­schritten wird, wird der Heilige Stuhl den Namen des in Aussicht Genomme­nen oder des Erwählten der österreichi­schen Bundesregierung mitteilen, um zu erfahren, ob sie Gründe allgemein politischer Natur gegen die Ernennung geltend zu machen hat.

Das bezügliche Verfahren wird ein streng vertrauliches sein, so daß bis zur Ernennung die gewählte Person ge­heimgehalten wird.

Wenn vom Zeitpunkt der oberwähn­ten Mitteilung an 15 Tage ohne Ertei­lung einer Antwort verfließen, wird das Stillschweigen in dem Sinne ausgelegt werden, daß die Regierung keine Be­denken zu erheben hat und der Heilige Stuhl die Ernennung ohne weiteres ver­öffentlichen kann.“

Zu dieser Konkordatsbestimmung gibt es darüber hinaus noch in einem Zusatzprotokoll eine Vereinbarung, was dann geschehen müßte, wenn die Regierung „einen Einwand allgemein politischen Charakters erheben sollte“: Für diesen Fall soll versucht werden, „im gemeinsamen Einverständnis eine freundschaftliche Lösung“ herbeizu­führen; sollte dies freilich ebenfalls mißlingen, „ist der Heilige Stuhl in der Durchführung der Besetzung frei“.

Dieser Konfliktregelungsmechanis- mus des völkerrechtlichen Vertrags­werkes mußte aber noch niemals ange­wendet werden. Wohl aber wird die Konkordatsbestimmung selbst haarge­nau erfüllt.

Auf diplomatischem W'eg via Nun­tiatur fragt der Heilige Stuhl vor jeder Bischofsernennung schriftlich bei der Regierung an, ob sie gegen den in Aus­sicht Genommenen Gründe „allgemein politischer Natur“ geltend zu machen habe. Dieses Schreiben landet jeweils im Völkerrechtsbüro des Außenmini­steriums, von wo es als Akt an den Mi­nisterrat weitergeleitet wird. Und dann beschließt der Ministerrat, bisher war

das zumindest immer so der Fall, kei­nen Einspruch zu .erheben.

Was wären überhaupt „Gründe all­gemein politischer Natur“, die gegen ei­nen Bischofskandidaten vorgebracht werden könnten?

„Eine gute Frage“, findet Legati­onsrat Hans Winkler vom Völker­rechtsbüro des Außenministeriums, die er freilich nicht verbindlich beantwor­ten kann. Denn: „Wir sind noch nie in die Situation gekommen, sie interpre­tieren zu müssen.“

Seine Hoffnung, daß der Verfas­sungsdienst die Frage klären könnte, erfüllt sich ebenfalls nicht. Dort erklärt man sich für inkompetent - und ver­weist auf das Völkerrechtsbüro.

In Ermangelung einer offiziellen In­terpretation versucht Winkler die Kon­kordatsbestimmung nach seiner „ganz persönlichen Meinung“ zu deuten: Die Regierung könnte nur dann Einspruch erheben, wenn ein Kandidat „in irgend­einer Form politisch belastet wäre, wenn er sich gegen die Republik oder ihre Rechtsordnung ausgesprochen hätte“.

Keinesfalls aber dürfe diese Bestim­mung von der Regierung kirchenpoli­tisch oder parteipolitisch ausgelegt werden.

Dies findet auch Dozent Richard Potz, Kirchenrechtler an der Wiener Universität. Er sieht in dieser „politi­schen Klausel“ heute nur noch eine Floskel, die freilich zur Zeit, zu der das Konkordat abgeschlossen wurde, eine noch weitgehendere Staatsmitsprache ablöste: Das Konkordat von 1855 räumte dem österreichischen Kaiser nämlich ein Nominationsrecht ein.

Obwohl es seit 1945 zu keinem ein­zigen Regierungseinspruch gegen eine Bischofsernennung gekommen ist, gab es trotzdem schon einmal Unstimmig­keiten.

Als im Frühjahr 1954 die Ernennung von Josef Schoiswoh) zum Grazer Di­özesanbischof anstand, probte der da­malige Vizekanzler Adolf Schärf im Ministerrat den Aufstand. Damals ließ die von Julius Raab geführte Bundesre­gierung den Heiligen Stuhl dann wis­sen, daß sie zwar die Ernennung Schoiswohls zur Kenntnis nehme, aber nicht im Sinne des Konkordates, son­dern lediglich im Sinne des allgemeinen Kirchenrechtes.

Dieser Zwischenfall ist damit zu er­klären, daß Schärf in den Jahren seit 1950 die Gültigkeit des Konkordates überhaupt in Frage stellte, ein Pro­blem, das erst Ende 1957 endgültig aus der Welt geschafft wurde.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung