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Struwwelpeter schlägt um sich

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Derzeit führen die „Komödianten“ im Theater im Künjtierhaus das 1923 entstandene Stück „Der Rebell, der keiner war“ des Iren Sean O'Casey auf. Er war ein Dichter, man sollte seine Bühnenwerks mehr spielen. — An seinem 84. Geburtstag erklärte O'Casey, er sei mehr denn je Kommunist. Den Kommunismus freilich begriff er als praktisches Christentum. Nun, dieses erste Stück der Dubliner Trilogie zeigt zwar die Auswirkungen des irischen Freiheitskampfes, ist aber keineswegs ein Agitprop für revolutionäres Handeln. — Was wird gezeigt? Das Bedrohtsein zweier unpolitischer Menschen in solch einer Zeit durch eine Zufälligkeit, ihr Hineingeschleudert-sein in eine Konfliktsituation, in der sie versagen, da sie die Opfertat des Mädchens nicht verhindern. Was nun diese Szene kennzeichnet, ist die eindringliche Darstellung vor allem der Schwäche, aber auch der Stärke des Menschen, die Zweischichtigkeit alles Vorgeführten, das ständige Neben- und Ineinander von Komischern und Tragischem Eben hierin ist Sean O'Casey Dichter. — Unter der Regie von Co;my Wunnes Meyer ersteht in dem eindrucksamen Bühnenbild du vernachlässigten Miethauses von Gerhard Jax eine überaus dichte Aufführung bei trefflicher Besetzung aller Rollen. Jan Meyer und Manfred Lukas-Luderer zeichnen glaubhaft den Poeten und den Hausierer, Heidi Hagl erweist als Minnie schlichte Unmittelbarkeit.

Jedes Theater ist bestrebt, den Kreis der Besucher zu vergrößern. Nun haben Kleinbühnen einen Spielplan, der nicht selten die Ausdrucksbereiche der Bühne erweitert, Ungewohntes bringt, an den Besu-

cher Ansprüche stellt, daher nur kleinere Kreise, vorwiegend jüngere Menschen, anlockt. Um sich nicht zu blockieren, wird derzeit im Ateliertheater versucht, das Vorzuführende über den bisherigen Bereich zu verbreitern, man spielt ein Minimusical für ein Klavier: „Rendezuous unterm Regenbogen“ von Beatrice Ferolli. Es entstand aus einem ihrer erfolgreichen Sprechstücke, „Alphabet in der Ewigkeit“, das sie vor sechzehn Jahren schrieb. In den Himmel Entrückte, unter ihnen Cäsar, gibt es da und im Irdischen eine Studentin, in deren Herzenswirren der astrale Imperator eingreift. Das wirkt anspruchslos liebenswürdig, wie eine Beruhigungspille in unserer Zeit der Bedrückungen. Von Oliver Krotz stammen die schmissigen Gesangstexte, von Nobert Pawlicki die gut akzentuierende, melodiöse Musik. Unter der Regie von Gerhard Eis-necker fällt Elisabeth. Terval als Studentin durch beachtliche Begabung auf.

Im Theater am Belvedere wird derzeit das Publikum von einer Gangsterbande als Geisel in Haft genommen, wobei immer wieder Sprecher in einem Fernsehapparat über die Reaktionen außerhalb des Theaters — Polizei und Publikum — berichten. Anführer ist Struwwelpeter. Was sich auf der Bühne begibt, heißt nach ihm „Der Struwwelpeter und andere zweifelhafte Persönlichkeiten“, vorgeführt von der Gruppe „Makabarett“. Unter zweifelhaften Persönlichkeiten verstehen sie so ziemlich jedwede Prominenz, die kabarettistische Angriffslust ist voll Witz, haut bei scharfem Tempo

nach allen Seiten aus. Zu den fünf Darstellern gehören auch der Texter Franz Berger und der Komponist Gerhard Breyer, dazu gibt es eine dreiköpfige Makabarett-Geiselband. Voller Lacherfolg.

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