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Sünden der Väter

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In letzter Zeit hat man öfter in die Vergangenheit zurück- geblickt und Fehler von einst angeprangert. Aus der Ge- schichte aber lernt nur, wer rückblickend die Gegenwart kritischer sieht.

Im sogenannten Bedenkjahr 1988 hat man 50 Jahre zurück- geschaut. Viele konnten nicht verstehen, daß damals so we- nig Widerstand geleistet wur- de. In den ehemaligen Ostblock- staaten klagen sich heute viele an, zu lange mit dem massiven Protest gewartet zu haben. Mahnt das nicht, viel eher ge- gen Mißstände und Unrecht seine Stimme zu erheben, im privaten Bereich, im öffentli- chen, wenn nötig auch inner- halb der Kirche?

Galileo Galilei, der Bahnbre- cher der neuzeitlichen Natur- wissenschaft, versuchte auf- grund seiner Entdeckungen und aus echtem Glauben das kirchliche Lehramt von der Wahrheit des kopernikani- schen Weltsystems zu überzeu- gen. Dennoch verurteilte ihn die Kirche 1616, weil dieses neue Weltsystem der heiligen Schrift widerspräche. Das hat Glaube und Wissenschaft auf lange Zeit in schwerste Span- nungen gebracht.

Der Fall Galilei veranlaßte unter anderem die Väter des II. Vatikanischen Konzils, in Gau- dium et Spes n. 36, sich zur richtigen Autonomie der irdi- schen Wirklichkeiten zu beken- nen. Und Johannes Paul II. be- dauerte 1989 bei einem Besuch in Pisa, daß Galileis wissen- schaftliches Werk seinerzeit „unbedachtsamerweise behin- dert " worden sei. Sollte die Kir- che dessen eingedenk nicht be- dächtiger sein im heiklen Dia- log mit den Wissenschaften? Sollte sie nicht auch auf die Naturwissenschaften hören, wenn sie versucht „Natur" zu interpretieren und sittliche Normen daraus abzuleiten?

Jan Hus, der böhmische Re- former, wurde 1415 in Kon- stanz als Ketzer verbrannt. Dies hat zu einer schweren Kirchen- spaltung im Land geführt, zu blutigen Kriegen und schürte nationale Auseinandersetzun- gen bis in unser Jahrhundert. Auf seiner jüngsten Reise in die CSFR erinnerte der Papst dar- an, wie kraftvoll Kardinal Beran auf dem Konzil unter Berufung auf den so beklagens- werten Fall Hus religiöse Frei- heit und Toleranz verteidigte. Und wörtlich fügte er hinzu: „ Unabhängig von den von ihm vertretenen theologischen Überzeugungen darf man Hus nicht Integrität des persönli- chen Lebens und Engagement für die moralische Bildung und Erziehung dieser Nation ab- sprechen. "

So kritische Worte sollten allen zur Gewissenserfor- schung dienen, die in der Kir- che die rechte Lehre zu wahren und mit solchen umzugehen haben, die falscher Lehren verdächtigt werden.

Die Sünden unserer Väter kennen wir heute sehr klar. Hilft das aber auch, ähnliche Sünden jetzt rechtzeitig zu erkennen und sie Zu meiden?

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