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Thron über Rivalen

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Die außerordentliche Session des Zentralkomitees der KP Chinas, die vom 17. bis zum 19. August 1973 tagte, versuchte die Gegensätze auszuräumen und die Einheit auf höchster Parteiebene herzustellen. Vergeblich! Die Parteihierarchie blieb gespalten, obwohl Mao Tse-tung unbestritten als Sohn des Himmels thront. Tschu En-lai mit seinen Mitläufern konnte zwar nicht verhindern, daß zwei frühere Politfoüromit-glieder rehabilitiert wurden, er will jedoch nicht erlauben, daß weitere, einst einflußreiche Mitglieder der „alten Garde“, die während der Kulturrevolution diskreditiert und hinausgeworfen wurden, in die Parteiführung wieder eingeschmuggelt werden.

Der Aufmarsch von Regierung und Parteiführung anläßlich des letzten internationalen Pingpong-Wettbe-werbes in Peking zeigte, daß keine personellen Veränderungen im Politbüro stattgefunden hatten. Das höchste Parteiorgan hat zwar seit dem April 1969 die Hälfte seiner Mitglieder verloren und besteht derzeit nominell aus 16 Personen, von denen jedoch nur zehn aktiv mitregieren. Zwei machtvolle Militärführer, die dem Politbüro angehören, scheinen an der Arbeit der zentralen Parteiführung uninteressiert zu sein.

Eine Analyse der Machtverhältnisse im Politbüro ist deswegen schwer, weil man von der Gruppenzugehörigkeit mancher junger Mitglieder nur wenig weiß.

Wie bereits angedeutet, thront Mao Tse-tung hoch über allen fünf Politbürofraktionen, die sich folgendermaßen aufgliedern:

•Die Pragmatiker: Tschu En-lai, Ye Chien-ying und Li Hsien-nien;

•die Radikalen: Chian Ching, Chang Chun-chiao und Yao Wen-yuan;

•die Einflußreichen, die jedoch keine

äefinierbare Rolle spielen: Chen Hsie-lien und Hsu Shih-yu;

•die Machtlosen: Kang Sheng, Liu Po-cheng, Chu Teh und Tung Pi-wu;

•die unbeschriebenen Blätter: Te-sheng, Wang Tung-hsing und Chi Teng-kuei.

Außerdem gibt es da drei hohe Funktionäre, die zwar keine Politbüromitglieder sind, aber dennoch viel Mitspracherecht besitzen. Diese sind: der Tschu-Anhänger Wu Teh, und die Stützen der Radikalen Hua Kuo-feng und Wang Hung-wen.

Die beiden Hauptfraktionen sind einzeln nicht stark genug, um ihre Gegner liquidieren zu können. So bleibt es beim Rivalisieren und Intrigieren. Die Radikalen haben derzeit bessere Public Relation« als die Pragmatiker, infolgedessen kann rschu den Parteiapparat und die Parteipresse nicht durchgreifend kontrollieren und die oft sehr scharfen Kritiken unterdrücken, die im Ton an die terroristischen Roten Garden erinnern.

Pragmatiker und Radikale lähmen einander seit zwei Jahren gegenseitig derart, daß wichtige Führungsposten unbesetzt bleiben. Die Volksarmee hat seit zwei Jahren keinen Generalstabschef, die Luftwaffe keinen Kommandeur und der Staat keinen Verteidigungsminister. Dies könnte fatale Auswirkungen haben, wenn eine bewaffnete Auseinandersetzung mit den Russen unvermeidlich werden sollte.

Vier Jahre nach dem formalen Ende der Kulturrevolution besitzt nur eine einzige Abteilung des Zentralkomitees ein vollzähliges Personal. Die Fraktionen konnten sich bis heute nicht darüber einigen, welche Funktionäre so wichtige Abteilungen wie die Organisationsabteilung und die Abteilung für Frontarbeit leiten sollen. Die Partei ist seit sieben Jahren ohne zentrale Agitprop-Abteilung. Das Zentralblatt der KPOh und das theoretische Organ des Zentralkomitees haben keine verantwortlichen Redakteure.

Die beiden Hauptfraktionen sind bemüht, einflußreiche Leute für sich zu gewinnen, um ihre Positionen ausbauen zu können. Im Laufe der vergangenen Monate schien es, als ob die Konservativen der „alten Garde“ wieder die Oberhand gewinnen könnten. Die früheren Politbüromitglieder Tan Ohen-li und Ulanfu wurden rehabilitiert. Auch Teng Hsiao-ping erschien wieder auf der politischen Bühne. Diese Männer wurden vor wenigen Jahren als „Agenten Chruschtschows“ und als „parteifeindliche Renegaten“ abserviert.

Natürlich blieb auch Tschu nicht untätig. Die beiden Fraktionen müssen jede für sich wohl oder übel einen mageren stillschweigenden Kompromiß akzeptieren. Auch die letzten großen Versammlungen brachten keinen klaren Sieg für die eine oder die andere der rivalisierenden Führungsgruppen. Der schwierige Balanceakt wird voraussichtlich noch lange Zeit charakteristisch für das Politbüro bleiben.

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