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Todesangst und Überwindung

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Dem Stadttheater Klagenfurt ist eine österreichische Erstaufführung zu danken. Sie machte das Publikum mit einem Stück des Dramatikers Tennessee Williams bekannt, das den Titel „Der Milchzug hält hier nicht mehr“ trägt. Williams hatte es seinerzeit aus einer Novelle entwickelt, umgearbeitet und schließlich in Spo-leto 1962 uraufgeführt. Nun kam es in einer Bearbeitung durch den Regisseur Kurt Julius Schwarz nach Klagenfurt und es sei vorausgeschickt, daß der „Milchzug“ ankam.

Viel hat der Dichter in sein Stück hineingearbeitet. Existenzzwänge, Lebens- und Liebesgier, symbolisches Beiwerk und nicht zuletzt eine tiefere Bedeutung um Sterben und Tod. Seine Mrs. Goforth, die sechs Männer konsumierte, dem ersten Uberfluß verdankend, ist eine entfernte Verwandte von Dürrenmatts „alter Dame“. Am Rande des Abgrunds, der Tod bedeutet, klammert sie sich ans Leben, das sie im Diktat der Erinnerung festhalten möchte. Da erhält sie seltsamen Besuch: ein Bursche — Dichter, Playboy, Hippie, irdische und überwirkliche Gestalt und Todesbote, der dort aufzutauchen pflegt, wo es ans Sterben geht — ersteigt den Berg, den sich die Goforth wie eine Festung ausgebaut hat, von Hund und Leibwächter geschützt. Mit List und Zwang, durch Drohung und Hunger will sie den Fremden, dessen Name Christopher höhere Bedeutung andeutet, zum Liebhaber. Vergebliches Bemühen der Todgeweihten; keine neue Lebenskraft vermag sie sich aus ersehnter Lust zu schaffen. Sie wird „zu Bett gebracht“, das ihr Sterbebett ist. Die Hausflagge mit dem goldenen Greifen wird eingeholt. Mrs. Goforth ist tot.

Schwarz hat durch kluge Kürzungen Beiwerk beseitigt, ohne Substanz anzutasten, und hat, unterstützt, von dem jungen Bühnenbildner Hannes Rader, der Ausgezeichnetes schuf und eine leicht verwandelbare, auf Drehscheiben gestellte Simultanbühne überzeugend verwirklichte, eine Aufführung geboten, die man als bemerkenswert akzeptieren kann, auch wenn nicht unbedingt eine Idealbesetzung zur Verfügung stand. Immerhin wurde stark beeindruckend gespielt. Ruth 3irk, aus Graz für die Hauptrolle verpflichtet, betonte das Herrische, immer noch Sexbezogene der Mrs. Goforth, deutete Angst vor den letzten Dingen an und fand auch Töne, die als echt zu werten sind. Als eine Art Gegenspielerin und Konkurrentin stellte sich in Herta Fauland die „Hexe von Capri“ grotesk gewandet vor. Mit der Blackie der Herlinde Gärtner-Zeitlinger trat das wirklich-keitsbezogene Leben in Erscheinung. Den „.Todesengel“ Chris Flanders konnte zwar Michael Bukowsky nicht in allen seinen Facetten anbieten, war aber doch in seiner Eigenschaft als Sterbehelfer und über der Situation stehender letzter Gast durchaus gültig. Die beiden Gehilfen — lebende Randbemerkungen und szenebauende Akteure von Bedeutung — waren bei Ernst Soelden und Herbert Mako gut untergebracht.

In Nebenrollen Gisela Matzer und die Herren Winkler und Treptow. Der Beifall — in Grenzen — bewies Achtung vor Autor und Spiel.

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