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Tröster in trostlosen Situationen

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Es ist eigenartig, daß Worte, die fast aus dem Sprachgebrauch verschwunden sind, wieder plötzlich aktuell werden können. Dies trifft gegenwärtig auch für die Worte „Trost“ , „trösten“ , „Tröster“ zu. In traurigen und trostlosen Lagen kann einem neu bewußt werden, welche Bedeutung der Trost hat und wie dringend die Menschen den „Tröster“ brauchen.

„Paraklet“ , „Tröster“ , ist ein Name für den Heiligen Geist. „Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Tröster geben, der für immer bei euch bleiben soll“ (Joh 14,16). In neueren Bibelübersetzungen wird das Wort „Paraklet“ mit „Helfer“ oder „Beistand“ übersetzt; aber vielleicht ist doch die Übersetzung „Tröster“ der ursprünglichen Intention näher.

Denn wo die Heilige Schrift vom Heiligen Geist als dem Tröster spricht, ist die Rede von Abschied, von Verwirrung, Verfolgung und Traurigkeit. In dieser traurigen und trostlosen Situa-

tion wird der Heilige Geist als Tröster, Helfer oder Beistand verheißen.

Viele empfinden die Situation des Menschen gegenwärtig als traurig und trestlos. „Sternstunden für Staat und Kirche“ lautete unlängst ein ironischer Titel eines Leitartikels in dieser Zeitung. Nicht wenige empfinden auch die Weltlage oder auch ihr eigenes Leben als trostlos.

Mitten in den Katastrophen am Ende des Zweiten Weltkrieges reflektiert Alfred Delp über die Trostlosigkeit seiner Zeit. „Es sind meist die Zeiten nach den großen Festen, wenn die Menschen ihrer selbst so sicher und froh waren und sich an ihren eigenen Möglichkeiten berauschten, in denen der Menschheit großer Jammer durchbricht… Die Triumphzüge des großen Lebens wandeln sich, zuerst in harte Kriegszüge, dann in elende Bettler- und Notzüge und schließlich in endlose Leichenzüge.“

Was Alfred Delp angesichts der unüberschaubaren Not seiner Zeit gesagt hat, vollzieht sich in unauffälligeren Formen immer wieder im gesellschaftlichen, persönlichen und auch kirchlichen Leben. Auf Phasen der Euphorie, des Aufbruchs und der Zuversicht folgen Phasen der harten Auseinandersetzung, die nicht selten in Phasen des Unheils und des Leidens enden.

Nicht wenige Ehen gehen in unserer Zeit diesen Weg. Auch in der Kirche erleben wir Ähnliches. Nach dem Aufbruch des Konzils verschärften sich die innerkirchlichen Auseinandersetzungen, die zu Fakten führen, die nicht wenige als traurig und trostlos erleben.

„Die Trostlosigkeit“ , so schreibt Alfred Delp, „ist ein Zustand des Geistes und Gemütes, der sich ergibt aus der erfahrenen und erkannten Kümmerlichkeit und Dürftigkeit der Verhältnisse, der Zustände, der Wirklichkeit, besonders der eigenen.“

Wie kann ich aus einer solchen trostlosen Lage befreit werden? Sicher nicht durch Wegreden der trostlosen Situation, durch Verharmlosung oder durch Vertrö-

sten. Meist auch nicht allein durch eigene Kraft oder durch Lesen psychologischer Abhandlungen. „Die Lektüre von Handbüchern zur Theorie und Technik der Psychoanalyse kann weder zu Trauerarbeiten veranlassen noch Trost spenden. Trauerarbeit und Trost sind ohne die Vermittlung durch eine Stimme, die zunächst außerhalb des Ichs anzunehmen ist, nicht denkbar, wiewohl auch diese Stimme schließlich auch in-

temalisiert werden und zu einem inneren Dialog Anlaß geben kann“ (Fritz Meerwein).

Genau diesem Prinzip entspricht auch die Verheißung Jesu: „Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen“ (Joh 14,18). Der an der Wirklichkeit leidende und traurige Mensch braucht die Erfahrung, nicht allein zu sein; er braucht das Wissen um die hilfreiche Nähe eines Menschen oder eines Gottes. Er braucht den

„Tröster“ . Ein solcher Tröster ist für den Christen, ob unmittelbar oder durch Menschen vermittelt, der Heilige Geist.

Was tut nun dieser „Tröster“ ? Die Wirkungsweise dieses Trösters scheint all dem zu widersprechen, was man landläufig unter Trösten versteht — hat aber manche Verwandtschaft mit dem, was die Psychologie über die Trauerarbeit sagt.

Der Heilige Geist, der Tröster, so heißt es in der Schrift, wird „erinnern“ , er wird „aufdecken“ , er wird „in die ganze Wahrheit einführen“ , er wird „überführen“ .

Der Heilige Geist hilft dem schlechten Gedächtnis auf die Beine und bringt das Verdrängte ins Bewußtsein. Er wird aufzeigen, „was Sünde, Gerechtigkeit und Gericht ist“ (Joh 16,8). Er zerstört die falschen Bilder, die sich der Mensch von sich selber, von der Welt und auch von Gott macht, die letztlich die Ursache der trostlosen Lage sind. Der Heilige Geist eröffnet aber auch neue Horizonte, bringt das Trostlose in neue Sinnzusammenhänge und schafft so die Grundlage für neuen Mut wie auch für neue Hoffnung.

Auch die Erinnerung bezieht sich nicht nur auf das negativ Verdrängte. Es soll vielmehr auch all das wachgerufen werden, was es an Gutem und Lebendigem im Leben des einzelnen, der Menschen und auch der Kirche gibt. Dadurch können alle guten Kräfte mobilisiert werden. Vor allem aber soll lebendig werden, was Gott in Jesus gewirkt hat und heute durch seinen Geist wirkt. „Er wird euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“ (Joh 14,26).

Was all das konkret im Leben eines Christen bedeuten kann, bezeugt Alfred Delp in seinem Kommentar zum „Veni Sancte Spiritus“ durch den Hinweis auf seine eigene Erfahrung. „Der Mensch erfährt innere Impulse von Wärme und Kraft und Licht, die wie gesegnete Ströme in die Wüste einbrechen und sie wandeln in fruchtbares Land. Wenn ich an die Nacht in der Lehrterstraße denke, in der ich Gott um den Tod gebeten habe, weil ich diese Ohnmacht nicht mehr ertragen konnte, dieser Wucht und Wut mich nicht mehr gewachsen fühlte. Wie ich die ganze Nacht mit dem Herrgott gerungen und einfach meine Not ihm hingeweint habe. Und erst gegen Morgen strömte die große Ruhe in mich ein, eine beglückende Empfindung von Wärme und Licht und Kraft zugleich, begleitet von der Erkenntnis: du mußt es durchstehen, — und gesegnet durch die Zuversicht: du wirst es durchstehen. In fletu solatium (im Weinen Trost). Das ist der Tröster-Geist, das sind die schöpferischen Dialoge, die er mit dem Menschen führt, die geheimen Weihen, die er erteilt und kraft derer man leben und bestehen kann.“

Was Alfred Delp hier ausspricht, berührt ganz andere Dimensionen, als sie im Alltagsstreit von Kirche und Staat oder Familie sichtbar werden. Der Heilige Geist—Helfer, Beistand, Tröster - wird uns helfen müssen, die Oberflächlichkeit zu überwinden und diese anderen Dimensionen zu erkennen und zu erfahren.

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